Was ist eigentlich … ein Weitwinkelokular?

Abb.: Eine komplette Serie von Ultraweitwinkelokularen (Meade, Series 5000 UWA). Peter Oden

Da hat man als Neuling im Gebiet der Hobbyastronomie lange hin und her überlegt, welches Teleskop man sich zum Einstieg kaufen soll. Schlussendlich fiel dann die Wahl auf ein Teleskop in der 500,- Euro-Klasse und man verbringt begeistert ganze Nächte am Okular, um die Schönheiten des Universums zu bestaunen. Irgendwann kommt dann fast immer der Wunsch, sich ein weiteres Okular zuzulegen. Vielleicht in einer Brennweite, die einem noch fehlt oder eines in einer besonders guten Qualität. Und dann stellt man auf einmal ganz erstaunt fest, dass es Okulare gibt, die so viel kosten wie das gesamte bisherige Teleskop-Equipment. Was ist es denn, dass solche Okulare (es handelt sich dabei immer um ein Weitwinkelokular bzw. um Ultraweitwinkelokulare) so teuer macht?

Herkömmliche Okulare

Ein Okular dient dazu, das vom Objektiv des Teleskops im Brennpunkt erzeugte Zwischenbild wie mit einer Lupe vergrößert zu betrachten.

Das einfachste Okular ist das Kepler‘sche Okular, das (wie eben eine Lupe) nur aus einer einzigen Linse besteht. Es hat einen sehr engen Blickwinkel und einen starken Farbfehler.

Verbesserungen brachten dann die Okulare von Huygens, Mittenzwey und Ramsden, die bereits Gesichtsfelder von fast 50° aufwiesen und aus zwei Linsen bestanden. Danach folgten das Monozentrische Okular von Steinheil, das Orthoskopische Okular von Abbe oder das Kellner-Okular, die teilweise heute noch Verwendung finden. Diese bestehen aus drei bis vier Linsen, die in Gruppen aufgebaut sind.

Mit dem Plössl-Okular und dem Erfle-Okular erreichte man in den folgenden Jahren bereits Öffnungswinkel von über 50° bis 68°, was man schon als Weitwinkel bezeichnen kann.

Weitwinkelokular

Gegen Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts tauchten auf einmal in amerikanischen Fachzeitungen Anzeigen für Okular mit über 80° Bildwinkel auf, die mit Attributen wie ‚Weltraum-Spaziergang‘ (space walk), ‚Fenster ins Universum‘ (gate to the universe) oder ähnlich beschrieben wurden. Der Entwickler, Al Nagler, der 1977 die Firma TeleVue gegründet hatte, hatte in den 60ern bereits hochwertige Okulare für die Simulatoren im Apollo Programm entwickelt.

Diese Okulare bestanden aus sieben oder sogar acht Linsen. Die unterschiedlichen Anforderungen an solche Okulare wie den weiten Blickwinkel, Farbreinheit, Schärfe bis zum Rand oder auch für Brillenträger geeigneten Betrachtungsabstand konnten nur noch mit unsymmetrischen asphärischen Linsen aus Spezialgläsern erfüllt werden.

Der prinzipielle Aufbau eines Nagler-Okulars (sieben- und achtlinsig). Quelle: Wikipedia
Abb.: Der prinzipielle Aufbau eines Nagler-Okulars (sieben- und achtlinsig). Quelle: Wikipedia

Unsymmetrisch heißt, dass die beiden Flächen einer Linse unterschiedlich geschliffen sind, asphärisch bedeutet, dass die Oberflächen der Linsen keine Kugelform mehr haben und als Spezialgläser kamen SF1 und SK16 Gläser, die die gewünschten Brechungsindizes aufwiesen, zum Einsatz. Natürlich konnten die Elemente für solche Okular nicht mehr von Hand ausgerechnet werden, sondern es war massive Computerunterstützung vonnöten. Das Ergebnis hat sich aber rundherum gelohnt, denn selbst diese ‚alten‘ Nagler-Okular sind heute noch sehr verbreitet und werden von ihren Besitzern hoch geschätzt.

In den Jahren dieses Jahrtausends wurden die eingesetzten Prinzipien noch einmal erweitert und so sind heute Okulare verfügbar, die sogar 100° oder 110° Bildfeld aufweisen. Solch ein gewaltiges Bildfeld im Weitwinkelokular kann das Auge mit einem Mal gar nicht mehr überblicken, sondern es muss sich hin und her bewegen, um alles aufzunehmen. Genau diese Freiheit der Augenbewegungen erzeugt aber den Eindruck, eher durch ein Fenster als durch ein im Blickwinkel eng begrenztes Okular zu schauen.

Dieser hohe Aufwand für die konstruktiven Berechnungen und die Herstellung der Speziallinsen und die Materialkosten erklären dann auch wieder den hohen Verkaufspreis solcher Okulare.

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