Vela-Pulsar: Aus dem Takt gekommen

Der rund 1000 Lichtjahre entferne Vela-Pulsar hilft dabei, die innere Natur extrem hoher Materiedichten besser zu verstehen. Der Jet aus geladenen Partikeln entlang der Rotationsachse des Pulsars erreicht 70% der Lichtgeschwindigkeit und reicht 0,7 Lichtjahre in den Raum hinein. [NASA/CXC/Univ of Toronto/M.Durant et al]

Sie werden zwar nach einem Kunstbegriff Pulsar (pulsierende Radioquelle) benannt, sind aber höchst real: mit bemerkenswerter Präzession schnell rotierende Neutronensterne. In unregelmäßigen Abständen kommt es bei einigen von ihnen jedoch zu rätselhaften Ausbrüchen aus dieser Geradlinigkeit. Solche Störungen erlauben faszinierende Einblicke in das Innere der stellaren Sternleichen. Liegt die Erde im Strahlungsfeld eines Pulsars, lassen sich regelmäßig wiederkehrende Signale, hauptsächlich im Radiofrequenzbereich, manchmal bis in den oder nur im Röntgenbereich, detektieren. Von den mehr als 1700 bekannten Quellen ließen sich nur bei einigen wenigen auch im sichtbaren Bereich Intensitätsschwankungen beobachten. Die Rotationsdauer eines Pulsars ohne Begleiter liegt zwischen 0,01 und acht Sekunden und erhöht sich in der Regel pro Sekunde um etwa 10–15 Sekunden, d. h. er wird im Laufe der Zeit langsamer. Auf diese Weise wird die Lebensdauer der Pulsare auf etwa zehn Millionen Jahre begrenzt. Ein, im kosmischen Kontext, eher unbarmherzig eiliges Leben. Aus wundersamen Gründen gehen manche der Neutronensterne allerdings einen anderen Weg. Sie beschleunigen zwischendurch ihre Rotation, um dann wieder langsam abzubremsen.

Der Vela-Pulsar in 1000 Lichtjahren Entfernung ist nicht nur einer der uns am nächsten liegenden Pulsare, sondern auch einer, der den Trick des Zwischenspurtes beherrscht. Bei nur 20 Kilometern Durchmesser rotiert er präzise elfmal je Sekunde um die eigene Achse. Wissenschaftliches Interesse weckte er nun durch sein überraschendes Verhalten. Er nimmt scheinbar unmotiviert rasch Schwung auf, wird schneller und bremst dann langsam seine Rotationsgeschwindigkeit wieder ein. Bemerkenswerte 19-mal in den vergangenen 45 Jahren hat der Vela-Pulsar ein derartiges Kunststück vollführt. In der Tat zunächst sehr verwunderlich, denn nach den Gesetzen der Energie- und Impulserhaltung darf ein Pulsar nur langsamer werden, keinesfalls jedoch schneller. Dieser Effekt wurde auch beim Vela-Pulsar durchaus nachgewiesen. Sein stark ausstrahlender Radio-Strahl bremst den Neutronenstern um etwa zehn milliardstel Sekunden je Tag ab. Um die Rotationsgeschwindigkeit wieder zu beschleunigen, bedarf es also einer Art Reserveenergie. Und obwohl hinsichtlich der Zustände im Inneren der Neutronensterne in der Wissenschaft mehr Uneinigkeit als Einigkeit herrscht, konnten kernphysikalische Modelle weit unterhalb der Oberfläche solche Reservoire ausmachen.

Grundsätzlich herrscht am ehesten Konsens über die sehr dichte, kristalline Oberfläche der Neutronensterne. Je weiter man sich dem Kern nähert, bestimmen zunehmend Neutronen das Geschehen und die Dichte nimmt weiter zu. Völlig unklar sind hingegen Zustand und Bedingungen, die direkt im Kern herrschen. Trotz oder wegen der hohen Dichte schon im mittleren Teil des Neutronensterns besitzen die Neutronen dort die Eigenschaft einer Supraflüssigkeit, die sie frei fließen und stabile Wirbel ausbilden lässt. Diese suprafluiden Wirbel speichern die Rotationsenergie ähnlich einem Schwungrad. Wenn nun also vor dem Hintergrund des Energieverlustes, der durch die Radiostrahlung entsteht, die äußere Kruste des Pulsars merklich langsamer als die Wirbel im Inneren rotiert, lösen sich diese auf und übertragen dabei Rotationsenergie auf die Kruste: Der Pulsar dreht schneller.

Lars-C. Depka

Orignalarbeit:
advances.sciencemag.org/content/1/9/e1500578

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*