Der kalte Zwergplanet Pluto könnte Ursprung einer dünnen Stickstoff-Atmosphäre seines größten Begleiters Charon sein. Darauf deuten Ergebnisse numerischer Simulationen hin. Sollte sich die Annahme bestätigen, wären Pluto und Charon das erste bekannte Beispiel für eine quasi geteilte Atmosphäre zwischen einem (Zwerg)Planeten und seinem Mond. Charon ist der innerste der fünf bekannten Monde des Pluto. Entdeckt wurde er im Jahr 1978. Sein mittlerer Durchmesser beträgt 1212km, was etwas mehr als die Hälfte des Durchmessers von Pluto ausmacht. Verglichen mit anderen Monden des Sonnensystems ist Charon damit im Verhältnis zu seinem Hauptkörper ungewöhnlich groß.
Schon Studien aus den 1980er Jahren legten einen Gasaustausch der beiden Körper nahe. Allerdings setzten diese Hypothesen eine hauptsächlich aus Methan bestehende Atmosphäre des Pluto voraus. Darüber hinaus muss das Gas, den frühen Arbeiten zufolge, den unmittelbaren Einflussbereich des Zwergplaneten mit relativ hohen Geschwindigkeiten verlassen. Anhand erdgebundener Beobachtungen weiß man zwischenzeitlich von einer überraschend mächtigen Stickstoffatmosphäre des Pluto, die sich gegenwärtig wenigstens 3000km weit ins All erstreckt. Damit füllt sie immerhin schon ein Viertel der Strecke zu Charon aus. Bislang wurde vermutet die Atmosphäre endet in gut 100km Höhe über der Pluto-Oberfläche.
Stickstoff ist im Vergleich zu Methan das schwerere Gas mit einer entsprechend verringerten Verlustrate, trotzdem stellt sie sich als wahrscheinlich eine der empfindlichsten Planetenatmosphären im Sonnensystem dar, da sie stark von der Sonneneinstrahlung, die je nach Bahnlage des Zwergplaneten variiert, beeinflusst wird. Simulationen zum Bewegungs- und Kollisionsverhalten der Stickstoffmoleküle legen nun eine größere Atmosphärentemperatur als zuvor angenommen nahe, die sich unter anderem auch auf die Ausdehnung der Gashülle auswirkt und sie somit bis in den Gravitationsbereich des Charon treibt. Alternativ könnte die Mondatmosphäre auch durch Ausgasungen auf Charons Oberfläche unterhalten werden. Selbst Kometeneinschläge auf dem Mond, die Gaswolken entbinden, sind als Ursprung einer hypothetisch flüchtigen Charon-Atmosphäre denkbar. Allerdings ist das Phänomen des Gasaustausches zwischen Körpern wie in binären Sternsystemen oder nahe am Mutterstern befindlichen Exoplaneten bekannt, so dass diesem Szenario aktuell eine leichte Favoritenstellung zugebilligt wird.
Lars-C. Depka
www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0019103514002462 |
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