Polarflug zur Sonnenfinsternis

Der Mondschatten über der Arktis, aufgenommen beim deutschen Finsternisflug – und zwar von der sonnenabgewandten Seite des Flugzeugs aus. [Wolfgang Riedmair]Es war fraglos der bequemste Weg, sich von Deutschland aus der totalen Sonnenfinsternis vom 1. August zu nähern: Zum ersten Mal startete von diesem Land aus ein spezieller Beobachtungsflug, der schräg durch die Totalitätszone schneiden und die Zeit im Kernschatten merklich verlängern würde, das ganze – Rekord! – nur 800km oder 7° vom Nordpol entfernt, der hernach ebenfalls noch besucht werden sollte. Finsternisflüge sind unter SoFi-Jägern umstritten: Im Prinzip bieten sie nahezu 100% Wettersicherheit und den transparentesten denkbaren Himmel, aber die Qualität der Fensterscheiben und die Möglichkeit zum Einsatz größerer Optik lassen oft zu wünschen übrig. Der Blick auf den Kernschatten auf der Erde aus 10km Höhe ist wiederum ein einmaliges Plus, der eingeschränkte Blickwinkel aus den kleinen Fenstern typischer Passagierjets ein krasses Minus. „Polarflug“-Passagier Wolfgang Riedmair berichtet: An Bord des Airbus A330-200 „waren ca. 150 Personen: Astronomen aus aller Welt, insbesondere Leute der NASA (die wissenschaftliche Messungen durchführten), einer der Hauptinitiatoren Dr. Glenn Schneider (University of Arizona) und zahlreiche Hobby-Eclipse-Chaser, sowie zahlreiche Presseleute (ZDF, N24, RTL u.a.) und die 12-köpfige Crew. Der Sofi-Flug hatte die Nummer LT 1111, Abflug von Düsseldorf war um 6:10 Uhr.“

Die große und mehrere kleine Protuberanzen bei nahendem drittem Kontakt, aufgenommen mit einer Canon 40D/Hutec und Sigma 120-400 mm bei 400 mm Brennweite mit Bildstabilisator, Blende 5,6 bei 800 ASA. [Wolf Hartmann]
Die große und mehrere kleine Protuberanzen bei nahendem drittem Kontakt, aufgenommen mit einer Canon 40D/Hutec und Sigma 120-400 mm bei 400 mm Brennweite mit Bildstabilisator, Blende 5,6 bei 800 ASA. [Wolf Hartmann]

Die 12 Stunden und 2 Minuten lange Reise führte über Spitzbergen zur SoFi, die auf 82°35′ Nord erreicht wurde, gefolgt von einem Überflug des Nordpols. „Ich selbst hatte diese Reise schon Mitte April gebucht,“ erzählt Riedmair, „und zwar einen Sitzplatz auf der sonnenabgewandten Seite. Durch die frühe Buchung bekam ich einen Platz direkt am Beginn des Flügels neben der Turbine zugeteilt, der eine gute Sicht geboten hat. Die Fensterseiten hatten jeweils zwei Plätze und waren alle ausgebucht, die mittleren Sitze (vier Reihen) waren weniger besetzt, nur mit den Leuten die sich ganz spät angemeldet hatten (wie z.B. die Presseleute). Es gab wohl Fenster die stärker vereist waren, aber eher im hinteren Flugzeugteil, mein Fenster hatte nur einige wenige Eiskristalle, die mich nicht groß störten (bei manchen Aufnahmen hatte der Autofokus Probleme). Mehrmals wurde versucht durch Aufdrehen der Heizung dem entgegenzuwirken.“ Als das im hinteren Teil des Flugzeugs nicht half, wurden etliche Passagiere umgesetzt, um sich klare Fenster mit anderen zu teilen: Nach Angaben Schneiders klappte das problemlos. Auf der sonnenabgewandten Seite sah Riedmair zwar nicht die Totalität (die er schon öfters erlebt hatte), sondern zahlreiche andere Phänomene: den schnell wandernden Kernschatten, die Verdunkelung von Himmel (sehr dunkel) und Erde, das Verblassen der roten Farbe des Triebwerkes, Horizontfarben und -aufhellung und die hohe Reflexion des arktischen Eises: „Summa Summarum für mich eine gelungene Reise, die ich nicht missen möchte!“

Beobachtern auf der Sonnenseite des Flugzeugs gelangen neben Bildern und Videosequenzen des regelrecht durch den Raum wandernden Kernschattenkegels auch halbwegs scharfe Aufnahmen der größeren Protuberanzen und der Korona. Weil der Airbus mit 895km/h immerhin ein Fünftel der Geschwindigkeit des Kernschattens hatte, verlängerte sich die sonst nur 2:12 lange Totalität um fast 45 Sekunden. Doch nicht überall kam reine Begeisterung auf: Nicht nur der Kampf der Besatzung gegen die Vereisung der Fenster – erst wurde die Heizung gewaltig aufgedreht, bis die Eisblumen verschwanden, dann wurde sie abgeschaltet und das Eis kam hier und da wieder – sorgte für Unbehagen, es werden auch erhebliche Probleme mit der Bestuhlung beklagt. Offenbar war der Schwenkbereich der Sitzlehnen künstlich stark eingeschränkt worden, was eigentlich dem Komfort der Passagiere dahinter dienen sollte. Aber durch die quasi fixierte Stellung der Lehnen wurden etliche Fenster für die direkte Beobachtung der Finsternis de facto unbrauchbar gemacht, wie ein anderer Passagier gegenüber interstellarum beklagt: Mitunter halfen nur Taschenspiegel, um überhaupt etwas von der Finsternis zu sehen! Erste Regressansprüche gegen den Veranstalter sind bereits gestellt worden, der offenbar ein weniger gutes Händchen bei der astronomischen Umwidmung eines Passagierjets hatte als zwei andere, die 2003 über der Antarktis eine Finsternis anflogen. Den nächsten SoFi-Flug dürfte es, wieder über der Arktis, bei der Totalen 2015 geben.

Daniel Fischer

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