Leerräume doch nicht leer? Überraschende Materieverteilung

Großräumig betrachtet, ähnelt das Universum einem gigantischen Schwamm: Große Bereiche (die Löcher des Schwamms) sind nahezu frei von jeglicher Materie. Diese Leerräume, oder auch Voids genannt, weisen Ausdehnungen von über 320 Millionen Lichtjahren auf und werden mehr oder minder fadenförmig von Materie-Ansammlungen, den sogenannten Filamenten (von lateinisch filum „Faden“) umgrenzt. Sie bilden aus Galaxienhaufen und Superhaufen mit höheren lokalen Galaxiedichten die typische Wabenstruktur. Nach bisherigen Annahmen  konzentriert sich die sichtbare Materie auf diese Filamente. Diese bilden die Grundstruktur des Schwamms.

Etwas näher betrachtet, kann man allerdings auch den Gegenspielern der Filamente, den Voids durchaus einige bemerkenswerte Gedankenansätze abgewinnen. Bei der typischen Eigengeschwindigkeit einer durchschnittlichen Galaxie von etwa 600 km/s beispielsweise,  würde es 163 Milliarden Jahre dauern, bis diese Galaxie einen solchen Hohlraum komplett durchquert hätte, was dem Zwölffachen des Alters des Universums von 13,8 Milliarden Jahren entspräche. Folglich erscheint es extrem unwahrscheinlich, dass die Voids durch auswärts gerichtete Eigenbewegungen der Galaxien entstanden sind. Vielmehr müssen sich die Galaxien relativ zu den Voids ungefähr da gebildet haben, wo sie derzeit sind, und die Voids reflektieren die Verteilung der Galaxien zum Zeitpunkt ihrer Entstehung.

Außerdem, und wenn man denn will, ist das ein weiterer Knalleffekt, sind Voids gar nicht solche Materiewüsten, wie sie den Anschein erwecken wollen. Bis zu 20 Prozent der herkömmlichen, im Sinne von gewöhnlicher, sichtbarer Materie, die aus Atomen mit Protonen, Neutronen (Baryonen) und Elektronen aufgebaut ist; in Abgrenzung zur dunklen Materie, deren Zusammensetzung zu den ungelösten Fragen der Kosmologie zählt, könnte in den Leerräumen zu finden sein.

Ein simulierter Würfel von 350 Millionen Lichtjahren Kantenlänge zeigt die Verteilung der baryonischen Materie im Universum. Die Berechnungen deuten darauf hin, dass in den Hohlräumen dazwischen bedeuten mehr Materie versteckt ist als bisher gedacht. [Markus Haider / illustris collaboration]
Ein simulierter Würfel von 350 Millionen Lichtjahren Kantenlänge zeigt die Verteilung der baryonischen Materie im Universum. Die Berechnungen deuten darauf hin, dass in den Hohlräumen dazwischen bedeutend mehr Materie versteckt ist als bisher gedacht. [Markus Haider / illustris collaboration]
Das Universum besteht nur zu knapp fünf Prozent aus sichtbarer, also baryonischer Materie. Weitere rund 27 Prozent der Masse des Universums macht die immer noch nicht identifizierte Dunkle Materie aus, die allein über Gravitation wechselwirkt. Die restlichen 68 Prozent bestehen aus der noch rätselhafteren Dunklen Energie, die dafür verantwortlich ist, dass das Universum immer schneller expandiert. Eine Simulation, die die Entwicklung des Universums über eine Altersspanne von 12 Millionen bis 13,8 Milliarden Jahre umfasst und dabei einen würfelförmigen Ausschnitt mit einer Kantenlänge von 350 Millionen Lichtjahren abbildet, zeigt, dass 94 Prozent der gesamten Materie (also sichtbare und Dunkle Materie) auf die Galaxien bzw. die Filamente verteilt ist. Nur sechs Prozent befinden sich in den Hohlräumen. Diese Blasen nehmen aber 80 Prozent des Volumens des Universums ein, das Volumen der Galaxien beträgt hingegen nur 0,2 Prozent des Kosmos. Wie aus den Analysen weiter hervorgeht, findet sich rund 20 Prozent der baryonischen Materie in den Hohlräumen des „Schwamms“. Allerdings, auch wenn es sich hierbei grundsätzlich um sichtbare Materie handelt, wird man sie kaum beobachten können, da es sich um ein sehr dünnes, kaltes Gas handelt.

Die Auswirkungen supermassiver Schwarzer Löcher in den Galaxienzentren tragen mutmaßlich einen Großteil an der überraschenden Materieverteilung im Universum bei. Sie wandeln einen Teil der Materie, die sie verschlucken, in Energie um und strahlen diese wieder ab. Diese Energie wird auf umliegende Gaswolken übertragen. Das führt zu starken Materieströmen, die sich Hunderte und Tausende Lichtjahre über die Galaxien hinaus in die Hohlräume hinein erstrecken. Nicht nur die Erkenntnis, dass die Hohlräume deutlich mehr Materie als gedacht enthalten, ist interessant. In ihr könnte auch eine Erklärung für das sogenannte Missing-Baryon-Problem zu finden sein. Derzeit sieht man nämlich deutlich weniger baryonische Materie als im frühen Universum vorhanden war. Ein Teil dieses Verlusts könnte in der Materie liegen, die offensichtlich von den Schwarzen Löchern in die Voids geblasen wird.

Lars-C.Depka

Originalarbeit

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