Es hat wohl selten eine Mission der Weltraumforschung gegeben, bei der der öffentliche Eindruck des Erfolges oder Misserfolges so stark von der Einschätzung der beteiligten Wissenschaftler abwich wie bei LCROSS, der kuriosen Zugabe zum Lunar Reconaissance Orbiter LRO.
Die meisten — selbst Weltraumenthusiasten — glauben, dass schlicht nichts heraus gekommen ist, als die Centaur-Oberstufe des LRO am 9. Oktober auf den Mond aufschlug, dicht gefolgt von der LCROSS-Sonde, die im Sekundentakt Bilder von jenem ins Dunkel gehüllten südpolaren Krater Cabeus schickte, wo die Centaur ihr Ende fand. Zugegeben, in den mal schwarzweißen, mal falschfarbigen Live-Bildern waren auf Anhieb weder ein Impaktblitz noch ein Vorhang aus hochgeschleudertem Staub noch der frische Einschlagskrater zu erspähen, und auch die besten Bilder und Videos von Sternwarten auf der Erde, die von schräg auf den Krater geschaut hatten, zeigten nicht das kleinste Wölkchen. Doch inzwischen wissen wir: Es ist alles da und steckt(e) nur viel tiefer in den Daten verborgen als die Organisatoren der Liveübertragung, der Impakt-Parties überall in den USA und die zahlreichen zum Hinschauen aufgeforderten Amateurastronomen im Westen des Landes gehofft hatten. Die Datenfülle sei sogar »reicher als ich ehrlicherweise erwartet hatte«, sagt heute der LCROSS-Chef Tony Colaprete, aber ob das eigentliche Ziel des Impakts, das Freisetzen von Wasser(dampf) aus dem Boden des schattigen Cabeus, erreicht wurde, das will er erst auf einer großen Mondforschertagung am 17. November verraten.
Alle erwarteten Phasen des Impakts sind jedenfalls eingetreten. Zuerst gab es einen Impaktblitz: Er stammt von der Hitze, die bei der gemeinsamen Kompression von Raketenstufe und Mondboden entsteht. In diesem Licht registrierten LCROSS‘ Instrumente zahlreiche Emissions- und Absorptionslinien, die nun analysiert werden. Dann stieg eine Staubwolke aus dem 28 Meter großen frischen und warmen Krater auf (den die Kameras der Sonde Sekunden vor ihren eigenen Ende klar erkennen konnten), aber sie ging eher in die Breite mit 6km bis 8km Ausdehnung und erreicht nie die 2km Höhe, die nötig gewesen wären, um sie von der Erde aus zu sehen. Diese Flachheit deutet nach Impaktexperimenten und -simulationen im Vorfeld darauf hin, dass die hohle Centaur-Rakete wie eine Blechdose zerquetscht wurde und auch der Kraterboden eher weich war. Über dem Staubschirmchen schoss jedoch auch eine Dampfwolke hoch, bis in mindestens 15km Höhe — und die hat offenbar auch mindestens ein Teleskop von der Erde aus spektroskopisch nachgewiesen. Dass kein Staub darin war, ist sogar ein Vorteil: Die Gasspektren haben so ein besseres Signal-zu-Rausch-Verhältnis. Noch höher über dem Mond registrierten andere Astronomen auch einen kurzen Anstieg von Natrium, das der Impakt aus dem Mondboden befreit hatte (vgl. Abb.): ein weiteres Mosaiksteinchen zum Gesamtverständnis. Und die Amateurastronomen? Effekte des Impakts selbst konnten sie zwar keine sehen, aber im Vorfeld haben sie sehr geholfen, betont Colaprete: Sie schickten ihm zahlreiche Bilder des Mondsüdpols bei unterschiedlicher Beleuchtung, die bei der Planung der Mission — deren Datum sich häufig änderte — eine erhebliche Rolle spielten!
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