»Kasten-Bulge« auch bei der Linsen-Galaxie NGC 4710

Die Linsen-Galaxie NGC 4710, die Hubbles Kamera ACS von der Seite sieht: Die Sterne des zentralen »Bulge« bilden eine diffuse X-Form, da sie sich auf zur galaktischen Ebene geneigten Bahnen befinden — ein Phänomen, das bei Spiralgalaxien mit engliegenden Armen wie dieser nur selten beobachtet wird. [NASA & ESA]
Die Linsen-Galaxie NGC 4710, die Hubbles Kamera ACS von der Seite sieht: Die Sterne des zentralen »Bulge« bilden eine diffuse X-Form, da sie sich auf zur galaktischen Ebene geneigten Bahnen befinden — ein Phänomen, das bei Spiralgalaxien mit engliegenden Armen wie dieser nur selten beobachtet wird. [NASA & ESA]
Ein erstaunliches Phänomen kann sichtbar werden, wenn uns eine Spiralgalaxie genau ihre Seite zeigt: Der Zentralbereich der Galaxie, der »Bulge«, ist dann nicht einfach ein rundlicher Buckel, sondern weist regelrechte Kanten auf. Im Fachjargon nennt man dies »boxy bulge« oder auch »peanut bulge« (wenn der Blick etwas schräger darauf fällt), und dahinter stecken vermutlich Sterne auf Bahnen, die gegen die Ebene der Galaxie deutlich geneigt sind. Die Himmelsmechanik dahinter ist noch nicht ganz verstanden, aber wahrscheinlich ist ein ausgeprägter Balken im Zentrum der Galaxie verantwortlich (den man als solchen beim Blick von der Seite natürlich nicht sehen kann): Solch eine starr rotierende längliche Anordnung von Sternen kann leicht instabil werden und sich in die dritte Dimension aufbäumen, wie viele Computersimulationen zeigen.

Statistisch stimmt es jedenfalls: Jede dritte Spiralgalaxie, die man von oben sieht, hat einen gewaltigen Balken, und jede dritte von der Seite gesehen einen boxy bulge. Dies trifft vor allem für Spiralgalaxien mit weit ausladenden Armen zu — weshalb es überrascht, dass das Hubble Space Telescope auch bei der Linsen-Galaxie NGC 4710 vom Typ SO im Virgohaufen einen boxy bulge nachweisen konnte, der auf einem Bild der Kamera ACS als schwaches »X« zentriert auf die Kernregion erscheint. Bei Galaxien dieses Typs sind die Spiralarme extrem eng aufgewickelt, und sie gelten als Übergangsformen zu den elliptischen Galaxien. Bei der HST-Beobachtung ging es um die Suche nach Kugelsternhaufen in der Nähe des Zentralbereichs: Ihre Entstehung stellt man sich parallel zur Bulge-Bildung in der Jugend der Galaxien vor, so dass sie noch Auskunft über Prozesse vor einigen zehn Milliarden Jahren geben können. Die geringe Zahl von Kugelhaufen, die bei NGC 4710 aufzuspüren waren, spricht für ein langsames Wachstum des Galaxien-Bulge, als Scheibe und Spiralarme schon vorhanden waren.

Daniel Fischer

Theorie der boxy bulges: www.atnf.csiro.au/pasa/14_2/bureau/paper/node2.html

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