Es war 20:31:29 Uhr Weltzeit am 3. Juni, aber schon der Morgen des 4. Juni in Australien und Ostasien: Die beiden führenden Jupiterbeobachter in diesem geographischen Längenbereich, Anthony Wesley in Murrumbateman, nördlich der australischen Hauptstadt Canberra, und Christopher Go auf der Philippinen-Insel Cebu, waren wieder einmal damit beschäftigt, Videosequenzen des Planeten aufzunehmen, um später scharfe Farbbilder daraus zu gewinnen. Während Go die Kamera blind laufen ließ, hatte Wesley ein Auge auf das wabernde Live-Bild seines 37cm-Newtons, der gerade den Rotkanal aufnahm. Und so wurde er es, der wieder als erster auf diesem Planeten etwas von einem Einschlag auf dem Jupiter mitbekam: Im Juli 2009 war ihm, vor allen anderen, ein markanter dunkler Fleck aufgefallen, der nur durch den Sturz eines Kleinkörpers in die Jupiterwolken zu erklären gewesen war, diesmal sah er den Impakt ganz direkt, als hellen Lichtpunkt im – momentan weiterhin verschwundenen – Südäquatorband, der etwa zwei Sekunden lang aufglühte. Kein Phänomen Jupiters selbst ist bekannt, das solch eine Lichterscheinung hervorrufen konnte – aber was war mit einem Artefakt der Technik oder etwas anderem irgendwo zwischen Teleskop und Planet? Wesley schlug augenblicklich Alarm, und ihm hört man natürlich zu: Go überprüfte sofort seine eigene Aufzeichnung – und da war genau zur selben Zeit (als er mit seinem C11 gerade im Blauen aufgenommen hatte) am selben Ort derselbe Blitz! Angesichts des Abstands zwischen Australien und den Philippinen musste er sich auf dem Jupiter selbst abgespielt haben.
Der Einschlag hatte sich bereits weit jenseits des Zentralmeridians ereignet, und Wesley konnte die Stelle noch etwas verfolgen, bevor sie hinter dem Horizont verschwand: Keine weiteren Blitze, aber auch keine dunkle Wolke waren zu entdecken. Seither ist der Ort – 16° Süd, 343° im Rotationssystem II – jeden Tag rund um die Welt intensiv beobachtet worden: Auch die besten Amateuraufnahmen zeigen hier absolut nichts Ungewöhnliches, und von mehreren Großteleskopen, die darauf gerichtet waren, das Hubble Space Telescope inklusive, hat man zumindest nichts Positives vernommen. Noch gibt es auch keine Vermutungen zur Größe oder Natur des eingeschlagenen Objekts: Vermutlich war es aber deutlich kleiner als der mutmaßliche Asteroid von 2009 und die größeren Kometentrümmer von 1994, so dass es nur zu einer Explosion in der oberen Atmosphäre kam und keine Jupitergase in größerer Tiefe chemischen Reaktionen ausgesetzt waren. Genau diese sind es aber, die zu dem – im Sichtbaren – dunkelbraunen Belag führen, der sich nach größeren Einschlägen rasch auf der Hochatmosphäre niederlässt. Interessanterweise haben 1994 die kleineren Bruchstücke des Kometen Shoemaker-Levy 9 kaum bleibende Spuren hinterlassen: eine offensichtliche Parallele zum Impakt von 2010. Wenig bekannt ist, dass es am 26. Juli 1983 schon einmal auf dem Jupiter geblitzt zu haben scheint: Damals wurden – mit einer Röhren-Videokamera, die keine heißen Pixel oder Blitzer durch Kosmische Strahlung kennt – der Jupiter und seine Monde gefilmt, und der Mond Io war eine Integration lang doppelt so hell wie sonst erschienen. Ein Impaktblitz auf der Planetenrückseite, der ihn anstrahlte, wurde zehn Jahre später als wahrscheinlichste Erklärung publiziert. Diese Notiz in Nature hatte – mangels unabhängiger Bestätigung – kaum jemand ernst genommen. Bis zum 3. Juni 2010 …
Daniel Fischer
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