Haumea: Vermessung des seltsamsten Zwergplaneten – mit einem Ring

Künstlerische Darstellung des Zwergplaneten (136108) Haumea und seiner Ringe, nach den Erkenntnissen einer Sternbedeckung von diesem Januar - aus der schrägen Sicht auf die Ringebene, die die Erde damals hatte. [Instituto de Astrofísica de Andalucía]

Der Zwergplanet (136108) Haumea war schon immer wegen seiner kuriosen Football-Gestalt aufgefallen – und dieses Jahr hat eine Sternbedeckung gezeigt: Er ist größer als bisher gedacht, muss ein exotisches Innenleben haben und besitzt Ringe. Es ist der erste Nachweis von Ringen im Kuiper-Gürtel, denn beim Pluto gibt es definitiv keine.

Sternbedeckungen sind mächtige Werkzeuge der astronomischen Beobachtung, wie sich erst diesen Monat wieder bei Neptuns Mond Triton gezeigt hat. Am 21. Januar hatte eine andere große Beobachtungskampagne in Europa den Zwergplaneten (136108) Haumea im Kuiper-Gürtel aufs Korn genommen, der schon immer aus dem Rahmen fiel: Er ist für seine Größe von weit über 1000 km wegen einer rasanten Rotation von einmal in nur 3,9 Stunden ungewöhnlich unrund und sieht eher wie ein amerikanischer Football aus. An zehn Standorten – darunter zwei in Bayern – entstanden zwölf auswertbare Lichtkurven (Ortiz et al., Nature 550, 219 [2017]): Je nach Ort zeichnete das abrupte Verschwinden des Sterns (Haumea hat offensichtlich keine nennenswerte Atmosphäre) unterschiedlich lange „Sehnen“ durch den Körper Haumeas nach. Zusammen mit der Rotationslichtkurve Haumeas lässt sich daraus berechnen, daß der Zwergplanet ein mindestens 2300 x 1700 x 1000 km großes Ellipsoid ist (und formte man daraus eine Kugel, hätte sie 1600 km Durchmesser).

Fünf der zwölf Lichtkurven der Sternbedeckung durch Haumea am 21. Januar: Zeitmarken alle 20 Sekunden; in schwarz die Daten, in rot und blau Modelle, die an die einzelnen Lichtkurven selbst angepasst wurden bzw. das wahrscheinlichste Szenario wiedergeben. Die großen Einbrüche sind unterschiedliche ‚Sehnen‘ quer über den Körper Haumeas, die kleinen davor stammen von den Ringen. Die dem 80-cm-Spiegel der VSW München leider wegen zu schlechten Signal/Rausch-Verhältnisses entgingen. [Ortiz et al.]
So genau war Haumeas Größe bisher nicht bekannt: Es folgt ein Rückstrahlvermögen (Albedo) von 51%, nicht ungewöhnlich für Kuiper-Gürtel-Objekte dieses Formats, und eine ebenfalls typische Dichte von nur 1,9 g/cm³. Die extrem längliche Gestalt wie die geringe Dichte sprechen klar dafür, dass Haumea kein homogener Körper in hydrostatischem Gleichgewicht ist: Ihr Material würde unter dem Einfluss der nicht unerheblichen Schwerkraft des Körpers in eine andere, dichtere Form „fließen“. Vielmehr könnte das Innenleben Haumeas von „granularer“ Physik bestimmt sein, größeren Brocken, die durch Reibung untereinander der Schwerkraft widerstehen. Auch kompliziertere Prozesse wie eine Ausdifferenzierung in verschiedene Schichten könnten bei einem Objekt dieser Größe bereits eine Rolle spielen: eine außergewöhnliche Welt am Rand des Sonnensystems, deren Verständnis erst ganz am Anfang steht.

Und dazu kommt noch eine weitere Entdeckung während der Sternbedeckung: Im Gegensatz insbesondere zum – ordentlich kugelförmigen – Zwergplaneten Pluto besitzt Haumea außer dem Mond Hi’iaka auch noch einen Ring viel weiter innen! Dieser schluckt etwa die Hälfte des Sternlichts, ist rund 70 km breit und hat einen Radius von 2300 km. Das ist so nahe an Haumea selbst, dass dort – weit innerhalb der „Roche-Grenze“ von in diesem Fall 4400 km – jeder Mond von Gezeitenkräften rasch zerrieben würde. Wie der Ring entstanden ist, übrigens in der 3:1-Resonanz, d.h. ein Ringteilchen läuft während genau drei Haumea-Rotationen einmal herum, dazu gibt es noch keine Erkenntnisse. Die Eigenschaften des Rings ähneln aber denen der Centauren Chariklo und Chiron – ähnlichen aber viel kleineren Objekten auf Bahnen zwischen Jupiter und Neptun – und auch etwas denjenigen der Eisriesen Uranus und Neptun: Ringe im Sonnensystem werden bei immer mehr Klassen von Himmelskörpern im äußeren Sonnensystem entdeckt und spielen wohl in der Entwicklung des Sonnensystems eine interessante Rolle. Und speziell im Kuiper-Gürtel dürfte nun intensiver nach weiteren Fällen gefahndet werden – mit Sternbedeckungen als dem mit Abstand geeignetsten Werkzeug.

LINKS:

Press Release des Instituto de Astrofísica de Andalucía: http://www.iaa.es/en/news/haumea-most-peculiar-pluto-companions-has-ring-around-it
Pressemitteilung der MPG: https://www.mpg.de/11544276/ring-um-haumea
Paper zu Plutos fehlenden Ringen: https://arxiv.org/abs/1709.07981

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