Es war ein Novum in der sogenannten »citizen science« gewesen, der Beteiligung der breiten Bevölkerung an wichtiger wissenschaftlicher Arbeit: Im Rahmen des Projekts »Galaxy Zoo« klassifizierten hunderttausende Freiwillige Millionen von Galaxienbildern der Sloan Digital Sky Survey, die auf ihren Computerbildschirmen zuhause erschienen, und sie taten dies — wie Tests zeigten — fast so gut wie Profiastronomen und weit sicherer als alle Computersoftware. Noch nie gab es so umfangreiche und zuverlässige Galaxien-Statistik, und mehrere wissenschaftliche Arbeiten auf der Basis des Galaxy Zoo sind bereits erschienen. Die Galaxienklassifizierer sollten aber auch die Augen für Ungewöhnliches offen halten — und so meldete die niederländische Lehrerin Hanny van Arkel eines Tages eine strahlend grüne Wolke in einigem Abstand von einer Galaxie, die der Astrophysik noch eine Menge Kopfzerbrechen bereiten sollte: So etwas hatte es schlicht noch nie gegeben. „Hanny’s Voorwerp“ (Objekt) beschäftigte schließlich eine Reihe Großteleskope — und jetzt gibt es endlich eine plausible Erklärung für das Phänomen. Bei Beobachtungen mit dem Westerbork Synthesis Radio Telescope, einem betagten aber immer wieder nachgerüsteten Radiointerferometer im Norden der Niederlande — auch van Arkel war anwesend — wurde eindeutig ein Jet nachgewiesen, der aus dem aktiven Kern der benachbarten Galaxie IC 2497 direkt in Richtung des Objekts »schießt«. Diesem Materiestrahl ist es offenbar gelungen, eine Schneise durch die große Wolke zu schlagen, die die Galaxie umgibt, so dass die intensive optische und UV-Strahlung einen Teil der Wolke ionisieren, auf über 15000°C aufheizen und zum Leuchten anregen kann: Das ist Hanny’s Voorwerp. Die Energiequelle der leuchtenden Wolke war immer das größte Rätsel gewesen, enthält sie doch keinerlei Sterne. Wo das Gas überhaupt hergekommen ist, immerhin 5 Milliarden Sonnenmassen insgesamt, bleibt jedoch weiter rätselhaft. Hier fällt der Verdacht auf eine Kollision von IC 2497 mit einer anderen Galaxie vor Jahrhundertmillionen.
Solche erstaunlichen Einzelentdeckungen sind natürlich nur ein — hoch willkommenes — Abfallprodukt der eigentlichen Arbeit am Galaxy Zoo, und ein weiteres fundamentales statistisches Resultat ist nun durch Detailbeobachtungen mit den Weltraumteleskopen Hubble und Spitzer untermauert worden. Sowohl die Galaxienklassifizierer des Galaxy Zoo wie die eingehende Untersuchung eines Galaxiensuperhaufens im Rahmen der Space Telescope A901/902 Galaxy Evolution Survey (STAGES) haben eine ganze Population von ungewöhnlichen roten Spiralgalaxien zutage gefördert, die es nach der herkömmlichen Auffassung gar nicht geben sollte. Spiralen hatten demnach blau zu sein, weil sie kräftig neue Sterne produzieren und dabei die Arme erhalten, rote dagegen waren inaktive elliptische Galaxien. In den roten Spiralen hat zumindest die im Optischen erkennbare Sternentstehung aufgehört, allerdings ohne starken Einfluss von außen, sonst wäre die Struktur der Spiralarme nicht erhalten. Nachdem das Hubble-Teleskop auch in dem Superhaufen auf eine Menge rote Spiralgalaxien gestoßen war, konnte das Spitzer Space Telescope mit seinem infraroten Durchblick das Rätsel lösen: Diese Galaxien produzieren durchaus noch ein wenig weiter Sterne, aber hinter jeder Menge Staub verborgen, bevor sie sich zu roten linsenförmigen Galaxien entwickeln, die keine Arme mehr besitzen. Solche roten Spiralen sind vor allem am Rand von Galaxienhaufen zu finden, wo die Umweltbedingungen die normale Sternentstehung bremsen. Bei massereichen Galaxien dauert dies länger, weshalb man sie leichter findet; masseärmere werden schneller transformiert. Der Einsatz der Freiwilligen vom Galaxy Zoo und der modernen Weltraumteleskope ergänzte sich bestens, um das Gesamtbild der Galaxienevolution zu verstehen.