Sonne, Klima, chinesische Geschichte: Hängt alles zusammen?

Schwankungen der Feuchtigkeit in Nordchina, abgelesen aus dem Sauerstoff-Isotopenverhältnis in einem Stalagmiten der Wanxiang-Höhle in Gansu und dreimal als grüner Kurvenzug dargestellt. Ausbrecher nach unten kennzeichnen Dürren, Ausschläge nach oben besonders fruchtbare Zeiträume. Darübergelegt sind ein Dürre/Flut-Index (rot), die Ausdehnung eines Alpengletschers (blau) und die rekonstruierte Sonnenaktivität (braun, ganz unten). [Zhang et al.]
Schwankungen der irrigerweise »Solarkonstante« genannten Strahlungsleistung der Sonne auf Zeitskalen von Jahrhunderten werden immer wieder mit messbaren Klimaveränderungen auf der Erde in Verbindung gebracht, ein riskantes Geschäft: Alle Hinweise, dass die »Konstante« überhaupt um mehr als die paar Promille schwanken kann, die in den vergangenen Jahrzehnten direkt gemessen werden konnten, sind indirekter Natur — und überzeugende Mechanismen, wie die Änderungen ins komplexe Klimageschehen der Erde eingreifen, fehlen meist. Als überzeugendstes Beispiel tauchte Mitte dieses Jahrzehnts ein Zusammenhang zwischen dem Monsun in den Tropen und der Sonnenaktivität auf: Letztere wird (über die Steuerung der Kosmischen Strahlung durch die Heliosphäre) in der Kohlenstoff-14-Häufigkeit in den Jahresringen von Bäumen abgebildet, während der Regenfall Isotopen-Spuren in einem Stalagmiten in einer südchinesischen Höhle hinterlassen hatte. Beide »Aufzeichnungen« haben ein halbes Dutzend Perioden gemein, insbesondere 558, 206 und 159 Jahre: eine Korrelation so stark wie nirgends sonst, aber physikalisch nur schwer zu verstehen. Dem Klimasystem innewohnende Zyklen und Trends werden vermutlich von Schwankungen der Solarkonstanten auf gewisse Weise verstärkt, einen klaren Zusammenhang gibt es hingegen sicher nicht.

Jetzt ist ein weiterer Stalagmit analysiert worden, diesmal aus der nordchinesischen Höhle: An ihm lässt sich die Klimageschichte der Region in den Jahren 190 bis 2003 mit zwei bis drei Jahren Genauigkeit lückenlos ablesen – für die chinesischen Autoren ergeben sich nicht nur überzeugende Korrelationen von Sonnenschwankungen und Klimageschehen, sondern sie bringen auch gleich noch Einschnitte der chinesischen Geschichte ins Spiel. Insbesondere schreiben sie den Niedergang der Tang-Dynastie im 9. Jahrhundert dem Ausbleiben des Monsuns zu, während die folgende feuchte Phase mit einem starken Anstieg der Bevölkerung einherging. Kulturwissenschaftler halten einen so direkten Zusammenhang von Klima und Geschichte für überzogen und verweisen auf starke innere Mechanismen von Gesellschaften, gegen die ein klimatischer Einfluss kaum ankäme. Eines hat die Studie aber zu Tage gefördert: Das Vorzeichen der Korrelation zwischen Monsun und Temperatur (hier nicht dargestellt) kehrt sich um das Jahr 1960 um — denn ab dann überwiegt die menschengemachte Erwärmung alle kosmischen Änderungen.

Daniel Fischer

Die neue Studie: Zhang et al., Science 322 [7.11.2008 ] 940-942
Die ersten Indizien: Kerr, Science 308 [6.5.2005] 787
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