Exoplanet beim sonnennächsten Stern Proxima Centauri: was wir wissen

Die drei erdnächsten Sterne in einem Bild: Beim hellen Paar Alpha Centauri A und B - hier zu einem Lichtklecks verschmolzen - wurde bislang kein Planet nachgewiesen, wohl aber nun beim Roten Zwerg Proxima Centauri. [Digitized Sky Survey 2 / Davide De Martin & Mahdi Zamani]

Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird der sonnen- und erdnächste Stern überhaupt, der Rote Zwerg Proxima Centauri in 4,2 Lichtjahren Entfernung, von einem Planeten kaum größer als die Erde umkreist – über dessen konkrete Eigenschaften wir zwar nur sehr wenig wissen, der aber unter bestimmten Umständen flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche besitzen könnte. Die konkreten Beobachtungen wurden heute in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung und auf einer Pressekonferenz der Europäischen Südsternwarte präsentiert: mehrere Messreihen der Radialgeschwindigkeit von Proxima, d.h. wie er sich relativ zu unserer Sichtlinie zu dem Stern bewegt, mit übereinstimmend einer klaren Periode von 11,19 Tagen. Und nur ein Planet im Orbit um Proxima mit mindestens der 1,3-fachen Masse der Erde, dessen Schwerkraft an dem Stern zieht, scheint diese Daten erklären zu können.

Das sind die Daten, die die Existenz des Planeten von Proxima Centauri bestätigten: Messungen der Geschwindigkeit des Sterns aus Sicht der Erde über zwei Monate hinweg, die die Schwerkraftwirkung des Begleiters (blau: der modellierte Effekt) zeigen. [ESO / G. Anglada-Escudé]
Das sind die Daten, die die Existenz des Planeten von Proxima Centauri bestätigten: 54 präzise Messungen der Geschwindigkeit des Sterns aus Sicht der Erde über zwei Monate hinweg, die die Schwerkraftwirkung des Begleiters (blau: der modellierte Effekt) zeigen. [ESO / G. Anglada-Escudé]
Das periodische „Signal“ in der Radialgeschwindigkeit war schon seit mehreren Jahren bekannt gewesen, aber Rote Zwerge – Proxima hat etwa 14% des Durchmessers, 12% der Masse und 1,6 Promille der Leuchtkraft der Sonne – können solche Effekte auch selber erzeugen: Ein Beweis für einen Planeten war das nicht. Den hat nun aber Anfang dieses Jahres die spezielle Messkampagne „Pale Red Dot“ geliefert: Nicht nur wurde Proximas Radialgeschwindigkeit mit dem Spektrographen HARPS am 3,6-m-Teleskop der ESO erneut und häufig gemessen (Grafik), gleichzeitig verfolgten andere Teleskope weitere Eigenschaften des Sterns, insbesondere seine Helligkeit. Für diese Fotometrie wurden übrigens größere und quasi professionelle Amateursternwarten eingespannt, drei Teleskope des LCOGT-Netzwerks und SpaceObs in Chile. Schon nach einem Monat war das Bild eindeutig: Das periodische Signal war wieder da und deckte sich mit den älteren Daten – und keiner der anderen Stern-Parameter schwankte in irgendeiner Weise im Takt mit der Radialgeschwindigkeit! Noch während die Messreihe lief, begann das Pale-Red-Dot-Team mit dem Abfassen der Forschungsarbeit, die nun vorliegt.

Auf der zunächst vertraulichen ESO-Pressekonferenz spricht Pale-Red-Dot-Chef Guillem Anglada-Escudé; hinter ihm der ESO-Generaldirektor und rechts der Starshot-Sprecher Pete Worden. [ESO / M. Zamani]
Auf der zunächst vertraulichen ESO-Pressekonferenz spricht Pale-Red-Dot-Chef Guillem Anglada-Escudé; hinter ihm der ESO-Generaldirektor und rechts der Starshot-Sprecher Pete Worden. [ESO / M. Zamani]
Die Wahrscheinlichkeit für eine zufällige Periodizität der Geschwindigkeit ist verschwindend gering und das Signal mit bis zu 1,38 m/s vor und zurück sogar stärker als bei vielen anderen glaubwürdigen Exoplaneten. Technisch nachweisbar, auch in dieser Qualität, war es im Prinzip schon seit einem Jahrzehnt – doch dass wirklich ein Planet dahinter steckt, haben erst die Parallelbeobachtungen bewiesen. Trotzdem bleiben die Autoren vorsichtig und sprechen nur von einem Planeten-Kandidaten: Gegenüber Abenteuer Astronomie betont Projektleiter Guillem Anglada-Escudé, dass man das Signal mit einem völlig anderen Spektrographen sehen müsse, um endgültig sicher zu sein, etwa dem Echelle SPectrograph for Rocky Exoplanet and Stable Spectroscopic Observations (ESPRESSO), der nächstes Jahr am Very Large Telescope die Arbeit aufnimmt. Und am besten wäre natürlich ein direktes Bild des Proxima-Planeten, doch so weit ist die Technik noch nicht. Außer der Umlaufsperiode und der Minimalmasse ist direkt über den Planeten nichts bekannt. Insbesondere sein Durchmesser ist unklar, da er leider nicht vor Proximas Scheibchen her läuft, aber bei einer so geringen Masse ist eine felsige Natur zumindest sehr wahrscheinlich.

Die wahre Erforschung von Proxima b kommt noch – und eine Reise dorthin?

Ebenso weiß man nichts über die Chemie des Planeten oder die Existenz einer Atmosphäre: Nur sie würde per Treibhauseffekt die Temperatur auf seiner Oberfläche über den Gefrierpunkt treiben, sonst wäre es selbst auf der Proxima zugewandten Seite -40°C kalt. Entsprechend datenarm sind damit erst recht Spekulationen über lebensfreundliche Bedingungen, zumal der Planet in nur 7 Mio. km Entfernung von Proxoma vermutlich gebunden rotiert, dem Stern also immer dieselbe Seite zeigt. Viel interessanter ist aber ohnehin die schiere Nähe des Planeten zur Erde, im kosmischen Maßstab jedenfalls. Schon die nächste Generation von Teleskopen auf der Erde und im Weltraum sollte einiges mehr über „Proxima b“, wie er einstweilen abgekürzt wird, herausfinden können. Und die Entdeckungs-Arbeit endet mit der für astronomische Artikel über Objekte jenseits des Sonnensystems ungewöhnlichen Hoffnung auf „robotische Erforschung in kommenden Jahrhunderten“, also die Reise von Raumsonden zu ihm. Auf der ESO-Pressekonferenz trat immerhin kurz der Sprecher des kühnen Starshot-Projekts auf, das mit starken Lasern winzige Sonden auf interstellare Reisen schicken will: Er hält einen Start in 20 Jahren, Vorbeiflüge an Proxima 20-25 Jahre später und Kosten wie beim Large Hadron Collider für realistisch …

LINKS:
ESO Release, mit Paper und Pressekonferenz: https://www.eso.org/public/news/eso1629
PM der MPG: https://www.mpg.de/10696754/proxima-centauri-planet
Pale Red Dot Blog: https://palereddot.org

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