Ein sternloses Objekt in nur 7Lj Entfernung

Die schnelle Bewegung von WISE J085510.83-071442.5 am – infraroten – Himmel: In dieser Animation folgen auf zwei undeutliche Bilder des Satelliten WISE (der dafür den gesamten Himmel absuchte) zwei schärfere des Satelliten Spitzer von gezielten Nachbeobachtungen. Neben der Eigenbewegung ist in den Daten auch eine große Parallaxe und damit geringe Entfernung von nur rund 7Lj zu erkennen. [NASA/JPL-Caltech/Penn State]

In der großen infraroten Himmelsdurchmusterung des kleinen NASA-Satelliten WISE ist nun ein Himmelsobjekt in der Nachbarschaft der Sonne entdeckt worden, über dessen Einordnung in den Zoo kleiner Himmelskörper Uneinigkeit herrscht: Nach einem »Positions-Statement« der IAU von 2001 müsste man WISE J085510.83-071442.5 als »Sub-Braunen Zwerg« oder vielleicht auch »frei schwebenden Planeten« bezeichnen, denn seine Masse liegt irgendwo zwischen dem drei- und zehnfachen derjenigen Jupiters, und jedwede Kernfusion in seinem Inneren ist ausgeschlossen.

Trotzdem beharrt der Entdecker Kevin Luhman gegenüber interstellarum darauf, den Fund als vollwertigen Braunen Zwerg anzusprechen und weiß sich damit im Einklang mit anderen Pionieren der Erforschung dieser »gescheiterten Sterne«, deren Masse nicht zur Wasserstoff-Fusion ausreicht: Keine Wasserstoff-Fusion sei die ursprüngliche Definition Brauner Zwerge gewesen, noch bevor überhaupt welche entdeckt worden waren, ohne irgendeine Massenuntergrenze. Die allerdings sieht nicht nur die IAU meist bei 13 Jupitermassen, unterhalb derer auch keine Deuterium-Fusion mehr möglich ist.

Doch für Luhman spielt deren An- oder Abwesenheit für Erscheinungsbild und Entwicklung derartiger Körper kaum eine Rolle: Hauptsache, sie sind unabhängig von einem Stern entstanden, sonst wären es natürlich Planeten. Dass WISE J085510.83-071442.5 nicht früher einmal ein solcher war, der aus seinem Planetensystem entwich, lässt sich zwar nicht ausschließen, ist aber statistisch unwahrscheinlich. Seine geringe Masse jedenfalls folgt – zusammen mit theoretischen Modellen – aus seiner später mit dem Infrarot-Satelliten Spitzer gemessenen IR-Helligkeit und -Farbe, aus der sich auch eine Oberflächentemperatur von 225 bis 260 Kelvin, selbst im wärmsten Fall also noch deutlich unter 0°C, ergibt.

Als was immer man das Objekt mit dem Spektraltyp Y nun bezeichnen mag: Dieser nahe kalte Nachbar der Sonne weist die drittgrößte Eigenbewegung und viertgröße Parallaxe (und damit viertkleinste Distanz von der Sonne) aller bekannten stellaren oder sternähnlichen Objekte der Milchstraße auf, sofern man Alpha und Proxima Centauri als ein Objekt sieht. Wie erhofft, hat damit WISE auch ganz nah noch Übersehenes aufspüren können: Im sichtbaren Licht ist WISE J085510.83-071442.5 nämlich gänzlich unsichtbar, selbst das große irdische Nah-IR-Teleskop VISTA konnte ihn nicht finden.

Daniel Fischer

Originalarbeit:
www.amsmeteors.org/2014/05/daylight-fireball-over-ontario-and-ne-usa-may-4-2014
NASA-Veröffentlichung:
www.nasa.gov/jpl/wise/spitzer-coldest-brown-dwarf-20140425
IAU-Position:
home.dtm.ciw.edu/users/boss/definition.html

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