Ein Asteroid als Zeitzeuge der Entstehung des Sonnensystems

Er ist Zeuge der Werdung des Sonnensystems vor ziemlich genau 4,6 Mrd. Jahren. Zu dieser Zeit bewegte sich nach ausgereifter Ansicht an Stelle des Sonnensystems eine ausgedehnte Molekülwolke um ein gemeinsames Zentrum innerhalb des Milchstraßensystems. Die Wolke bestand zu über 99 % aus den Gasen Wasserstoff und Helium sowie einem geringen Anteil mikrometergroßer Staubteilchen, die sich aus schwereren Elementen und Verbindungen, wie Wasser, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid  und Siliziumverbindungen zusammensetzten. Teile dieser Materiewolke zogen sich infolge der eigenen Schwerkraft zusammen und verdichteten sich an manchen Stellen. Den Anstoß hierzu könnte die Explosion einer relativ nahen Supernova gegeben haben, deren Druckwellen durch die Wolke wanderten. Diese Verdichtungen führten zu der Bildung von vermutlich mehreren hundert oder gar tausend Sternen in einem Sternhaufen, der sich wahrscheinlich nach einigen hundert Millionen Jahren in freie Einzel- oder Doppelsterne auflöste. Und einer davon ist unsere Sonne.

Im Rahmen der Planetenbildung in der sogenannten protoplanetaren Scheibe des Sonnennebels (also des Fragments Materiewolke, aus der sich das Sonnensystem herausbildete) war es einer Vielzahl kleinerer Objekte vermutlich durch den gravitativen Einfluss des schnell mächtiger werdenden Protojupiters nicht vergönnt, zu größeren, planetenbildenden Körpern (Planetesimalen) zu wachen. Astronomische Objekte unterschiedlicher Größe wurden von ihm und den anderen großen Planeten in die äußeren Bereiche des Sonnensystems geschleudert.

Durch den gravitativen Einfluss benachbarter Sterne wurden die Bahnen der Objekte mit der Zeit so gestört, dass sie heute nahezu isotrop in einer Schale um die Sonne herum verteilt sind. Diese hypothetische und bisher nicht nachgewiesene Ansammlung astronomischer Objekte wird Oortsche Wolke genannt. Wegen der weit größeren Entfernung zu den Nachbarsternen sind die Objekte der Oortschen Wolke trotz ihres relativ großen Abstandes zur Sonne gravitativ an diese gebunden, also feste Bestandteile des Sonnensystems.

Ein Asteroid, der in diesen äußersten Randbereichen des Sonnensystems seinen Ursprungszustand aus der Zeit vor 4,6 Mrd. Jahren in außerordentlichem Zustand erhalten hat, hört auf die Bezeichnung C/2014 S3. Die Mehrzahl der bekannten Asteroiden eint ein Schicksal, welches sie von C/2014 S3 fundamental unterscheidet: Ihre chemische Zusammensetzung wurde vor dem Hintergrund des starken Einflusses unseres Zentralgestirns in solch hohem Maße verändert, dass sie keine brauchbaren Aussagen aus der Zeit des jungen Sonnensystems mehr liefern können. Mit C/2014 S3 (PANSTARRS) stellt sich nun die glückliche Fügung, einen raren, sozusagen unveränderten Zeitzeugen zu kennen.

Kometen stammen entweder aus der nach dem niederländischen Astronomen Jan Hendrik Oort benannten Wolke weit jenseits der Planeten-bahnen oder aus dem näher gelegenen, nach dem Amerikaner Gerard Kuiper benannten Gürtel [Daniel Röttele]
Kometen stammen entweder aus der nach dem niederländischen Astronomen Jan Hendrik Oort benannten Wolke weit jenseits der Planetenbahnen oder aus dem näher gelegenen, nach dem Amerikaner Gerard Kuiper benannten Gürtel [Daniel Röttele]
Er ist das erste entdeckte Objekt, das sich auf einer Kometen-Umlaufbahn mit langer Umlaufdauer befindet und die Eigenschaften eines urzeitlichen Asteroiden aus dem inneren Sonnensystem besitzt. Analysen seines Spektrums deuten darauf hin, dass es sich bei ihm um einen sehr alten Gesteinsbrocken handelt, und nicht um einen zeitgenössischen Asteroiden, der sich verirrt hat. Als solcher ist er einer der potentiellen Bausteine der Gesteinsplaneten wie die Erde, der aus dem inneren Sonnensystem vertrieben und für Milliarden von Jahren in der eisigen Umgebung der Oortschen Wolke konserviert wurde. Der S-Typ- Asteroid war ursprünglich als Komet von geringer Aktivität identifiziert worden, der sich bei der Erstbeobachtung etwa doppelt so weit von der Sonne entfernt befand wie die Erde. Doch er sieht nicht aus wie ein typischer Komet, bei denen man davon ausgeht, dass sie sich im äußeren Sonnensystem gebildet haben und mehr Eis als Gestein enthalten. Es scheint, als dass seine Materie nur eine sehr geringe Entwicklung durchlaufen hat, was ein Hinweis darauf ist, dass sie für eine sehr lange Zeit tiefgefroren war.

Die schwache kometenartige Aktivität, die C/2014 S3 (PANSTARRS) zugeschrieben wird und in Einklang mit der Sublimation von Wassereis steht, ist etwa eine Millionen Mal geringer als bei aktiven Kometen mit langer Umlaufdauer in vergleichbarer Entfernung zur Sonne. Die Dauer seines aktuellen Orbits beläuft sich auf 860 Jahre. Trotz der relativ gut verstandenen grundsätzlichen Abläufe bei der Entstehung des Sonnensystems, konkurrieren doch einige Ansätze mit Blick auf Detailfragen um die jeweilige Deutungshoheit untereinander. So liegt beispielsweise ein wesentlicher Unterschied in der Vorhersage, aus welchen Objekten die Oortsche Wolke besteht. Die verschiedenen Modelle prognostizieren erhebliche Unterschiede im Verhältnis von Eis- zu Gesteinsobjekten. Diese erstmalige Entdeckung eines Gesteinsobjekts aus der Oortschen Wolke ist also ein wichtiger Test für die unterschiedlichen Vorhersagen.

Lars-C. Depka

Pressemitteilung der Internationalen Astronomischen Union

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