Er hat nicht mal einen Namen, nur eine Nummer im Asteroidenkatalog (225088) und die vorläufige Bezeichnung nach seiner Entdeckung vor neun Jahren, 2007 OR10, unter der er bei Experten für das Sonnensystem jenseits der Neptun-Bahn bekannt ist. Und nun scheint sich heraus zu stellen, dass dieser Bewohner des Kuiper-Gürtels mit einem Durchmesser von rund 1500 km erheblich größer und mit einer Albedo von nur etwa 9% weit dunkler ist als bisher angenommen: Das würde ihn vom bisher vierten auf den dritten Platz hinter Pluto (2375 km Durchmesser) und Eris (2330 km) aber vor Makemake (1430 km) und Haumea (1250 km für eine Kugel von dessen Volumen) befördern, den bislang vier offiziellen Zwergplaneten dort draußen. Man erinnert sich: Vor zehn Jahren wurde auf einer Vollversammlung der Internationalen Astronomischen Union zum ersten Mal der Begriff „Planet“ definiert, so dass es derer acht im Sonnensystem gibt, von Merkur bis Neptun, die jeweils weitgehend alleine um die Sonne kreisen. Zugleich entstand die neue Kategorie „Zwergplaneten“ für Himmelskörper, die zwar unter ihrer eigenen Schwerkraft noch rund geworden sind, sich aber ihre Zone des Sonnensystems mit vielen anderen ähnlich großen teilen müssen: Damals wurden nur drei (Pluto und Eris sowie Ceres als einsamer Vertreter der Klasse im Asteroiden-Hauptgürtel) entsprechend klassifiziert, 2008 kamem noch Makemake und schließlich Haumea dazu, doch seitdem ist die Liste nicht weiter gewachsen.
Zumindest die „amtliche“, aber das konnte nicht alles sein: Konkrete Beobachtungen anderswo im Sonnensystem – namentlich an den Eismonden der Gasplaneten – wie auch Modellrechnungen zeigten bald, dass ein felsiger Körper ab etwa 900 km Durchmesser Kugelgestalt annimmt, ein von weicherem Eis dominierter sogar schon ab 400 und womöglich 200 km. Die Bestimmung des Durchmessers eines fernen Körpers im Sonnensystem ist schwierig, da die Helligkeit im sichtbaren Licht gewaltig von der Albedo, dem Rückstrahlvermögen, abhängt, aber eine inoffizielle Tabelle verzeichnet allein zehn praktisch sichere Zwergplaneten (mit mindestens 900 km Durchmesser; 2007 OR10 stand schon darauf) und rund hundert Kandidaten bis 400 km hinab. Deutlich zuverlässiger – aber immer noch von systematischen Problemen geplagt – wird die Durchmesser-Bestimmung, wenn auch die Wärmeabstrahlung eines Körper bekannt ist: Sie hatte der inzwischen inaktive ESA-Satellit Herschel bei 2007 OR10 tatsächlich messen können (Bilder). Und zusammen mit der Helligkeit im Sichtbaren, bestimmt u.a. mit dem NASA-Satelliten Kepler, lassen sich Albedo und Durchmesser gemeinsam ableiten: 9(+3/-1)% und 1535(+75/-225) km lautet das Ergebnis der neuesten Analyse. Die geringe Albedo fällt aus dem Rahmen: Die Zwergplaneten des Kuipergürtels haben über 60%, Eris sogar fast 100%! Vielleicht ist 2007 OR10 dank seiner Größe in der Lage, bestimmte flüchtige Substanzen wie Methan besser fest zu halten, die dann eindunkeln – auf jeden Fall ist es plötzlich einer der interessantesten Körper dort draußen geworden. Der zudem die IAU zum Handeln zwingt und seine damaligen Entdecker allmählich zur Suche nach einem angemessenen Namen.
Daniel Fischer
LINKS:
Original-Arbeit: http://arxiv.org/abs/1603.03090
JPL Release: http://www.jpl.nasa.gov/news/news.php?feature=6509
Tabelle der Kandidaten: http://web.gps.caltech.edu/~mbrown/dps.html
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