»Architektur« fremder Planetensysteme

Der Aufbau der ersten 15 bekannten Planetensysteme mit mindestens drei nachgewiesenen Planeten, sortiert nach zunehmender Gesamtmasse: Die (minimalen) Planetenmassen werden durch die Größe der Kreise visualisiert, die Abstände sind logarithmisch aufgetragen, so dass Muster wie das Titius-Bode-Gesetz des Sonnensystems auffallen. [Lovis et al.]

Ein fremder Stern mit bis zu sieben Planeten, ein anderer mit zwei Planeten, die beide vor dem Sternscheibchen herziehen und sich gegenseitig deutlich stören, dazu vielleicht der masseärmste (1,4 Erdmassen) sowie der kleinste (1,4 Erddurchmesser) Exoplanet: Zwei Veröffentlichungen in zwei Tagen Abstand haben die Charakterisierung fremder Planetensysteme Ende August ein gehöriges Stück voran gebracht.

Das wahrscheinlich reichste System um den sonnenähnlichen Stern HD 10180 ist eine Entdeckung mit dem Spektrographen HARPS am 3,6m-Teleskop der ESO: Von fünf »Neptunen« mit (Minimal-)Massen von 12 bis 25 Erdmassen und Umlaufszeiten von 6 bis 602 Tagen ist der Effekt auf die Radialgeschwindigkeit in 190 Messungen über mehr als 6 Jahre hinweg eindeutig. Dazu kommen noch eine längere Periode, die ein 65-Erdmassen-Planet mit ca. 6 Jahren Umlaufszeit verursachen dürfte – und eine vage, sehr schnelle Variation der Radialgeschwindigkeit mit 1,2 Tagen Periode und nur 80cm/s Amplitude: Hierfür könnte ein siebter Planet mit nur 1,35 Erdmassen Minimum verantwortlich sein, der dann der masseärmste bisher nachgewiesene Exoplanet wäre. Von einer »zweiten Erde« könnte man in nur 3,3 Mio. km Abstand vom Stern allerdings schwerlich sprechen: Die Hitze wäre enorm, zumal HD 10180 die anderthalbfache Sonnenleuchtkraft besitzt. Seine bis zu sieben Planten bilden das »reichste« bisher entdeckte Exoplanetensystem, eines von mindestens 14, die in der Grafik zusammen mit dem Sonnensystem dargestellt sind: Jedes hat eine andere »Architektur«, aber drei oder vier teilen die Eigenschaft des Sonnensystems, dass die Abstände der Planeten einem relativ scharfen Potenzgesetz im Stil der mysteriösen Titius-Bode-Reihe folgen.

Die andere fundamentale Entdeckung stammt vom Satelliten Kepler, der Planeten durch Transits vor ihren Sternscheiben entdeckt: Das System Kepler 9 ist das erste, bei dem zwei eindeutige Planeten abwechselnd das Sternlicht abschwächen. Nicht nur konnten beide auch durch ihren Effekt auf die Radialgeschwindigkeit des Sterns als eindeutige Planeten von Saturnformat – mit 80 bzw. 54 Erdmassen – identifiziert werden: Sie stören ihre Bahnen auch gegenseitig erheblich. Der innere hat eine Umlaufsperiode von 19,2 Tagen, kommt aber pro Durchgang 4 Minuten später, der äußere dagegen erscheint alle 38,9 Tage und jeweils 39 Minuten früher. Zwischen beiden Planeten besteht eine Bahnresonanz von nahe 1:2, eine besonders stabile Konfiguration, bei der Bahnenergie abwechselnd in beide Richtungen übertragen wird. Um das exakte Zahlenverhältnis von 1:2 oszillieren sie etwa alle 4 Jahre und das schon seit 2 Milliarden Jahren. In den Photometrie-Daten von Kepler 9 gibt es auch vage Hinweise auf Transits eines extrem kleinen Planeten alle 1,6 Tage, der nur 1,4 Erddurchmesser hätte und damit der kleinste bisher bekannte wäre. Ihn betrachten die Kepler-Auswerter offiziell nur als Kandidat mit der Nummer KOI-377.03, doch er hat bereits einen wichtigen Test seiner Planetennatur absolviert. Die größte Quelle »falscher« flacher Planetentransits sind bedeckungsveränderliche Sterne nahe der Sichtlinie, deren Licht sich zum beobachteten Stern addiert. Eine ausgefuchste Software namens BLENDER simuliert derartige Konstellationen mit vielen freien Parametern – und hat bei den ohnehin unstrittigen Planeten Kepler-9b und -9c unabhängig gezeigt, dass solch ein Fall hier nicht vorliegen kann. Bei KOI-377.03 liegt die Wahrscheinlichkeit für einen falschen Planeten nur noch bei 1:170.

Daniel Fischer

HD 10180:
www.eso.org/public/news/eso1035
Kepler 9b/c:
www.cfa.harvard.edu/news/2010/pr201013.html
KOI-377.03:
arxiv.org/abs/1008.4393

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