Kein einzelnes Foto einer totalen Sonnenfinsternis gibt auch nur im entferntesten den Eindruck von der Korona wieder, den das menschliche Auge liefert, oder ist in der Lage, die filigranen Strukturen der Sonnenatmosphäre – die uns die Magnetfelder der Sonne verschaffen – klar nachzuzeichnen. Während eine digitale oder chemische Kamera stur die Helligkeit an jedem Punkt aufnimmt, registriert das Auge (zusammen mit dem Gehirn natürlich) vor allem die Unterschiede von einem Punkt zu seinen Nachbarn und kann so Strukturen viel klarer herausarbeiten. Ganz besonders hilft das bei der Sonnenkorona, deren Helligkeit von innen nach außen um viele Größenordnungen abfällt, weil die Dichte der Elektronen, die das Licht von der Photosphäre streuen, außen viel geringer ist.
Aber das heißt ja nicht, dass der Fotograf nicht auch so arbeiten könnte wie das Auge – dachte sich vor drei Jahren der tschechische Mathematiker Miloslav Druckmüller aus Brno, der sich von Berufs wegen mit Fragen wie der optimalen Lesbarkeit von Strichcodes mit Computeraugen befaßt. Allein aus mathematischen Prinzipien heraus (und bewußt ohne Kenntnis all der früheren Literatur über mehr oder weniger erfolgreiche Versuche der Bildverarbeitung von Koronaaufnahmen) entwickelte er ein Verfahren, um Bilderserien mit unterschiedlichen Belichtungszeiten erst extrem paßgenau zusammenzufügen. Und das Resultat dann mit einem speziell auf das Problem zugeschnittenen Filterverfahren so zu verarbeiten, dass die ganzen Strukturen der Korona klar hervortreten. Seit Druckmüller – der mit eigenen Aufnahmen ebenso arbeitet wie mit Bildmaterial befreundeter Profiastronomen und Amateure – die ersten Ergebnisse (oben: Sambia 2001) auf SoFi-Tagungen präsentierte, ist der überdies auch noch ungemein sympathische Forscher (Hobby: Extrembergsteigen) der Star der Szene geworden.
Grundlage der Bildverarbeitung – den Algorithmus erklärt Druckmüller gern in allen Einzelheiten, und irgendwann soll die Software auch frei verfügbar werden – ist natürlich Hochpaßfilterung: Sie hebt die filigranen Details heraus und unterdrückt den großskaligen und extremen Helligkeitsverlauf der Korona. Das haben andere auch schon probiert – aber das Druckmüller-Verfahren benutzt Entfaltung mit einem sogenannten adaptiven Kernel: Wie das Auge auch paßt sich die Software von Ort zu Ort im Bild den speziellen Gegebenheiten an und holt überall das beste heraus. Erstmals zeigen Korona-Bilder nun sogar mehr als das Auge sieht. Ständig sind Druckmüllers Computer nun bei der Arbeit: Nach und nach werden Bilderserien vergangener Finsternisse aufgearbeitet, selbst aus Flugzeugen oder vom Deck schwankender Schiffe aus entstandene (unten: im Pazifik 2005). Und v.a. wer Material aus den 1980-er Jahren oder von noch früher hat, möge sich eingeladen fühlen, einmal mit Druckmüller Kontakt aufzunehmen!
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