Die Erde spielte Exoplanet — bei einer Mondfinsternis

Das Transmissionsspektrum der Atmosphäre der Erde, gemessen in der Umbra der Totalen Mondfinsternis vom 16. August 2008. Die spektrale Auflösung liegt zwischen 900 und 1000; zahlreiche Moleküle sind identifiziert, deren Absorptionsbanden zum Teil überraschend stark ausgefallen sind. [Pallé et al.]
Das Transmissionsspektrum der Atmosphäre der Erde, gemessen in der Umbra der Totalen Mondfinsternis vom 16. August 2008. Die spektrale Auflösung liegt zwischen 900 und 1000; zahlreiche Moleküle sind identifiziert, deren Absorptionsbanden zum Teil überraschend stark ausgefallen sind. [Pallé et al.]
Auch Mondfinsternisse lassen sich wissenschaftlich nutzen, und ein besonders spektakuläres Resultat wurde nun publiziert: Die Finsternis vom August 2008 war mit Teleskopen auf La Palma benutzt worden, um ein detailreiches Transmissionsspektrum der Erdatmosphäre aufzunehmen. Diese bricht bekanntlich Sonnenlicht auch in den Kernschatten, wo es für ein mehr oder weniger intensives rötliches Leuchten sorgt — und diese Lichtstrahlen haben einen denkbar langen Weg durch die Atmosphäre zurückgelegt, bis zu 80 Mal so lang wie die Atmosphäre »hoch« ist. Dabei prägen Moleküle dem Sonnenlicht ihre Absorptionsbanden auf, die sich im Licht des Schattens wiederfinden müssten, wenn man das normale Mondspektrum subtrahiert. Solche Untersuchungen hat man zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts einige Male versucht, doch erst jetzt ist das Verfahren wieder aufgegriffen worden, als das William Herschel Telescope und das Nordic Optical Telescope die 2008-er Mondfinsternis spektroskopierten, lückenlos von 360nm bis 2,4µm Wellenlänge. Jede Menge Molekülsorten machen sich klar bemerkbar, z.T. sogar intensiver als erwartet: Der sehr lange Lichtweg führt offenbar zu Verstärkungseffekten, denen man noch mit komplexen Computersimulationen nachzugehen gedenkt.

Entscheidend ist aber, dass das Verfahren überhaupt so gut funktioniert hat: Eine Variante genau derselben Messmethode lässt sich nämlich auch auf Exoplaneten anwenden. Auch deren Atmosphären werden durchleuchtet, sollten sie vor dem Sternscheibchen vorbei ziehen. Leider können wir uns nicht — wie der Mond bei einer Mondfinsternis — in den Schatten begeben: Der Planet deckt bei solchen Durchgängen aus Sicht der Erde immer nur ein paar Promille des Sternscheibchens ab. Daher müssen sehr viele Spektren bei mehreren Durchgängen aufgenommen und aufaddiert werden, während das ungefilterte Sternlicht subtrahiert wird. Hochrechnungen aus den Finsternis-Daten lassen aber hoffen, dass die Bestandteile so mancher Exoplanetenatmosphäre im Durchlicht tatsächlich zugänglich sein werden, und dies viel besser als im reflektierten Licht, denn dann ist der Lichtweg viel kürzer und die Absorption entsprechend schwächer: Auch dies hat man im Rahmen der kanarischen Mondbeobachtungen bestätigt gefunden, indem zu einem anderen Zeitpunkt der Erdschein, also das von der Erde reflektierte Sonnenlicht, spektroskopiert wurde. Insbesondere die biologisch interessanten Moleküle waren im Transmissionspektrum wesentlich klarer auszumachen: Die Jagd nach indirekten Lebensspuren auf fremden Welten könnte also durch eine Mondfinsternis plötzlich einfacher geworden sein.

Daniel Fischer

Die Veröffentlichung: arxiv.org/abs/0906.2958
Pressemitteilung: www.spaceref.com/news/viewpr.html?pid=28420

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