Sammelt sich in der Nähe der Langrange-Punkte L4 und L5 des Systems Erde und Mond so viel Staub an, dass diese Wolken oder „Staubmonde“ tatsächlich nachgewiesen werden können? Seit 1961 der polnische Astronom Kazimierz Kordylewski behauptete, ihm sei dies fotografisch gelungen, war das Phänomen umstritten, selbst eine Raumsonde spürte ihm schon nach – und nun glauben ungarische Astronomen, ein klares Signal entdeckt zu haben.
Die Lagrange- oder Librationspunkte 4 und 5 eines Zwei-Körper-Systems liegen in der Umlaufbahn des masseärmeren, 60° vor und hinter him: Hier kann sich ein dritter Körper antriebslos lange Zeit halten, weshalb sich dort auch natürliches Material ansammeln kann – von Asteroiden (die dann Trojaner genannt werden) bis zu Staub. Kordylewski berichtete 1956 erstmals von der angeblichen Sichtung schwacher Wolken an den richtigen Stellen und 1961 auch von einem fotografischen Nachweis: Er beschrieb – in Deutsch übrigens – „zwei bisher unbekannte Erdmonde von kometenartiger Struktur“. Freilich nur etwa halb so hell wie der bereits nur unter optimal dunklem Himmel sichtbare Gegenschein (die Reflexion der Sonne an diffusem interplanetarem Staub): Entsprechend oft misslangen viele spätere Versuche, die Kordylewski-Wolken zu sichten, während es nur eine Handvoll Erfolgsmeldungen gab. Anfang der 1990-er Jahre flog die japanische Raumsonde Hiten dicht an einem der Lagrange-Punkte vorbei, doch der deutsche Staubdetektor an Bord, der Munich Dust Counter, registrierte nichts. Allerdings ist die Himmelsmechanik im Erde-Mond-System kompliziert, die Wolken sollten die Langrangepunkte umkreisen, und es könnte sein, dass der gesuchte Staubmond gerade woanders war.
Die Existenz der Kordylewski-„Monde“ ist sechs Jahrzehnte kontrovers geblieben, und es gibt auch Argumente, dass sie gar nicht stabil sein könnten. Aber nun liegen die Beobachtungen der Ungarn vor, die in einer Privatsternwarte in Badacsonytördemic eine CCD-Kamera mit einem Polarisationsfilter auf dem Himmel richteten: Wenn (Sonnen-)Licht an Staubteilchen gestreut wird, richtet sich seine Schwingungsebene teilweise aus, und das schwache Signal kann vom Himmelshintergrund getrennt werden. Direkt dramatisch sieht das Bild (unten) nicht aus, aber da einerseits alle denkbaren optischen Artefakte ausgeschlossen seien und andererseits das Polarisationsmuster zu früheren Berechnungen derselben Astronomen passt, gilt es als erster klarer Nachweis der Staubmonde, in der Ära elektronischer Detektoren zumal. Was weiter fehlt, sind aber eindeutige direkte Bilder der Wolken: Der ungarische Erfolg sollte gerade Amateure mit Erfahrung in „tiefen“ Großfeld-Himmelsaufnahmen motivieren, gezielte Versuche zu starten. Laut einem Übersichtsartikel von 2007 sollten die Wolken etwa 6° groß sein, ziemlich rötlich, und sich auf Ellipsenbahnen um die Lagrange-Punkte bewegen. Die weitere Erforschung der Kordylewski-Wolken mag sogar eines Tages praktischen Wert haben, denn L4 und L5 könnten in der Raumfahrt einmal eine Rolle spielen – und das wüsste man schon gerne, wie stark es da staubt.LINKS:
R.A.S. Press Release: https://ras.ac.uk/news-and-press/research-highlights/earths-dust-cloud-satellites-confirmed
Eine Bestandsaufnahme 2007: https://elib.dlr.de/49577/1/KordylewskiClouds-Paper.pdf
Kordylewskis Arbeit von 1961: http://adsabs.harvard.edu/abs/1961AcA….11..165K
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