Allmählich kämpft sich die beobachtende Astronomie zu einem Punkt vor, an dem erdartige Planeten fremder Sterne als isolierte Lichtpunkte beobachtet und ihre Helligkeit in verschiedenen Farben gemessen werden kann – aber wie soll man solche Daten interpretieren? Einen Weg weist die Erde, die wir bestens kennen: Wie sich ihr gesamtes reflektiertes Licht für einen fernen Beobachter im Tages- und Jahresgang verändert, spiegelt buchstäblich ihre Landkarte und jahreszeitliche Trends wieder, was auch bei Exoplaneten der Fall wäre. Eine irdische Messreihe neuer Qualität hat nun der ungewöhnliche Satellit DSCOVR eingefahren.
Das Deep Space Climate Observatory ist auf der Linie Erde – Sonne 1,5 Mio. km von der Erde entfernt stationiert, wo es in erster Linie das Weltraumwetter überwacht. Aber an Bord ist auch die Earth Polychromatic Imaging Camera (EPIC), die ständig auf die Tagseite der Erde starrt und ein paar Mal am Tag Aufnahmen durch 10 verschiedene Filter macht, vom nahen Ultravioletten bis zum nahen Infraroten (Bilder oben). Ein Pixel ist auf der Erde 18 km groß: Für die Simulation eines fernen Exoplaneten werden alle Pixel in jeweils einer Farbe gemittelt, so dass 10 Lichtkurven entstehen, von denen die Grafiken unten typische Zeitverläufe zeigen: Auch wenn die Erde zu einem Punkt geschrumpft ist, verraten sie – allein oder clever kombiniert – eine Menge über diese Welt, die einzige von der wir mit Sicherheit wissen, dass sie bewohnt ist. Und an der wir üben können, wie solche Datenreihen zu interpretieren sein könnten, denn welches Festland-, Ozean- und Atmosphären-Phänomen wie zu der Gesamtfarbe beiträgt, lässt sich anhand der räumlich gut aufgelösten EPIC-Bilder ja im Detail studieren. All dies ist direkter und einfacher als bei einer anderen beliebten Methode, die den Erdschein auf der dunklen Seite des Mondes als gemitteltes Licht der Erde ausnutzt.
Absolut gesehen ist die Erde bei 450 bis 550 nm Wellenlänge am hellsten, weil dies auch für die Sonne gilt – und in allen 10 Farben dominiert ihr von Wolken reflektiertes Licht. Die Kontinente werden erst im Roten und nahen Infraroten hell, namentlich bei 780 nm, wo Vegetation stark reflektiert (IR-Fotografen kennen dieses Phänomen der ‚weißen Wälder‘), während sie sichtbares und vor allem UV-Licht schluckt. Ozeane wiederum sind bei 388 nm und im Blau-Grünen am hellsten. Weil die Wolken das Licht im Wesentlichen weiß reflektieren, lässt sich ihr Anteil am Gesamtsignal mathematisch entfernen, so dass auch getrennte Lichtkurven für Wolken und Erdoberfläche möglich sind (Grafiken ganz unten): Dann wird im Tagesgang z.B. sichtbar, wie die großen tropischen Wolkensysteme auf die Tagseite rotieren, was einen 12-Stunden-Rhythmus erzeugt. In der gesamten Messreihe über zwei Jahre macht sich vor allem der Jahresgang bemerkbar, der über die schwankende geographische Breite unter dem Satelliten wirkt. Erdartige Exoplaneten mögen in mancher Beziehung ähnlich wie die Erde ‚funktionieren‘, aber vieles könnte auch völlig anders sein: Wenn entsprechende Datenreihen für eine andere Welt in den kommenden Jahrzehngten tatsächlich vorliegen, kann die DSCOVR-Erfahrung nur eine grobe Richtung für die Interpretation vorgeben. Aber ein ungewöhnliches Abenteuer in ‚inverser‘ Astronomie war die Übung in jedem Fall.LINKS:
Originalarbeit: http://iopscience.iop.org/article/10.3847/1538-3881/aac6e2
Homepage von EPIC: https://epic.gsfc.nasa.gov
NASA Press Release: https://www.nasa.gov/feature/jpl/nasa-uses-earth-as-laboratory-to-study-distant-worlds
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