134 340: Pluto hat jetzt eine Nummer, 2003 UB313 heisst Eris – und die nächste Kontroverse in Sachen »Planet« kündigt sich an

Nach der Definition eines Planeten durch die IAU, die Pluto zu einem Zwergplaneten gemacht hat, ist dieser am 7. September in den Katalog der Kleinplaneten aufgenommen worden – ein reiner Verwaltungsakt, weil es (noch) keinen Extrakatalog für die neue Kategorie der kleinen Kugelkörper gibt, aber doch von gewisser Symbolkraft. Und am 13. September wurde der einzige derzeit bekannte Transneptun, der noch grösser als Pluto ist und bisher nur einen Spitznamen nach einer TV-Serie hatte, nach der griechischen Göttin der Zwietracht (!) auf den Namen Eris getauft, während ihr Mond nun auf Dysnomia hört (IAUC # 8747). An der Namensgebung waren der Entdecker Mike Brown und die IAU-Arbeitsgruppen für die Nomenklatur sowohl des Planetensystems wie der Kleinkörper beteiligt: Alle drei derzeit als Zwergplaneten geführten Mitteldinger zwischen richtigem Planeten und Kleinkörpern – die andern sind bekanntlich Ceres und Pluto – haben damit Namen aus der griechisch-römischen Götterwelt, eine Gemeinsamkeit mit den richtigen Planeten.

Zuvor waren Pluto und den drei anderen Giganten des Kuipergürtels die Katalognummern 134 340 (Pluto), 136 199 (Eris, vormals 2003 UB313), 136 108 (2003 EL61) und 136 472 (2005 FY9) zugeteilt worden: Diese Massnahme, hiess es in einer Erklärung des Minor Planet Center (MPC) der IAU, sei deswegen opportun, weil mit (1) Ceres bereits ein zum Zwergplaneten erklärter Himmelskörper eine Kleinplanetennummer trägt und dem MPC die Aufgabe zukomme, astrometrische Daten von Nichtplaneten aller Art zu verwalten. Und sollte es einem Zwergplaneten einfallen, sich eine Koma zuzulegen, dann gibt es ausserdem noch eine Nummer im Katalog periodischer Kometen. Vielleicht wird es einmal einen Extrakatalog für Zwergplaneten oder zumindest welche jenseits des Neptun (die ja laut einem weiteren IAU-Beschluss eine eigene Kategorie bilden sollen) geben, aber jetzt herrscht erst einmal Ordnung im Sonnensystem.

Über die Umklassifizierung Plutos wird immer noch angeregt (um es vornehm auszudrücken) gestritten, überwiegend in den USA, wo manche das Erbe seines Entdeckers und »Nationalhelden« (wie allen Ernstes auf einer kleinen Demo in New Mexico gerufen wurde) in Gefahr sehen. Im Gegensatz zu den Alarmrufen der Kritiker der IAU-Resolution wird die Statusänderung des ehemaligen 9. Planeten gerade in den Schulen des Landes problemlos absorbiert – und mehr noch: Das Interesse der Schüler an Astronomie ist sprunghaft gestiegen, und die Lehrer können am praktischen Beispiel demonstrieren, dass die Wissenschaft kein starres Gebäude ist und sich neuen Erkenntnissen anzupassen vermag. In manchen Klassen war Pluto schon länger – nach gelehrter Debatte – als Planet »abgewählt« worden, anderswo sah man es als Vorteil an, den Exoten aus dem Planeten-Kanon los zu sein, weil man bei generalisierten Aussagen so oft ein »ausser Pluto« hatte anfügen müssen. Und von wegen, die IAU-Definition sei zu kompliziert: Auch in Deutsch gibt es bereits Webseiten, die die Kernaussage kindgerecht auf den Punkt bringen.

Die überwiegend amerikanschen Pluto-Fans – allen voran der Chef der Pluto-Sonde (die übrigens gerade unverdrossen die Klappe auch ihres letzten Instruments geöffnet hat) – ficht die um sich greifende Akzeptanz der Planeten-Definition nicht an: Sie wedeln mit einer Anti-IAU-Petition, die rund 300 (auch wieder fast nur in den USA ansässige) Planetenforscher unterzeichneten. Und die erstaunlicherweise keinerlei Argumente enthält, sondern praktisch nur aus dem Statement »Eine bessere Definition ist nötig« besteht. Also fragte interstellarum bei einigen der bekannteren Unterzeichner an, was denn nun ihre Argumente seien – und die Antworten waren erstaunlich. Manche hatten nur aus persönlichem Groll unterschrieben, weil sie keiner gefragt hatte oder sie die Prozeduren in Prag (bzw. was sie davon indirekt gehört hatten) fragwürdig fanden, andere hatten sich wenig dabei gedacht und wieder andere gar nur aus »lokalpolitischen« Gründen mitgemacht, obwohl sie den IAU-Beschluss eigentlich gut fanden, es sich aber mit o.g. Sondenchef nicht verderben wollen! Ein Beweis für »significant unhappiness« unter den Astronomen der Welt sieht anders aus.

Konkrete Einwände wurden von einigen durchaus genannt: gegen die Beschränkung der Definition auf das Sonnensystem, den

Dwarf Planet
Dwarf Planet

vermeintlichen Widerspruch, dass »dwarf planets« keine »planets« sein sollen (aber mit dem Begriff »minor planet« hatte nie jemand solche Probleme?) oder das Wort »dwarf«, das im amerikanischen Sprachgebrauch eine Beleidigung sei. (Aber wo ist dann die Resolution gegen »dwarf stars« und »dwarf galaxies«?) Besonders unbeliebt ist die IAU-Formulierung vom Planeten, der »seinen Orbit freigeräumt« haben müsse: Hier besteht in der Tat noch Bedarf für eine klarere Sprache. Vereinzelte Gegenvorschläge wurden auch geäussert, aber sie waren durchweg auch in den Prager Diskussionen aufgekommen und mit guten Gründen verworfen worden. Etwa einfach alles grösser als Pluto als Planet »zuzulassen« oder den Begriff Planet ohne zusätzliches Adjektiv gar nicht mehr zu verwenden. Nachdem die Bühne in den ersten Tagen den lautstarken Kritikern gehörte, melden sich zunehmend auch Anhänger der Definition zu Wort, die darin einen Sieg der Wissenschaft über Emotionen sehen.

Damit ist es freilich noch lange nicht getan: Als nächstes will sich die IAU mit der Definition von Planeten auch anderer Sterne befassen, die dieses Mal vertagt wurde. Und dieses Thema ist prompt aktuell geworden, durch die Entdeckung eines Sternbegleiters mit 12 Jupitermassen (Abb.), der wegen seiner Masse eigentlich als Planet bezeichnet werden müsste: Zu irgendeiner Art Kernfusion ist er nicht in der Lage. Doch entstanden ist er höchstwahrscheinlich nicht wie ein Planet in einer Scheibe um den Hauptkörper, sondern mit diesem zusammen direkt aus einer Molekülwolke: Anders sind die 200 AU Abstand zwischen den beiden nicht zu erklären, denn so groß war die zirkumstellare Scheibe um den Stern sicher nie. Die Entdecker des Begleiters sprechen deshalb von einem Braun-Zwerg-Begleiter, obwohl dazu eigentlich eine Masse von über 13 Jupiters und ein wenig Kernfusion gehören. Seltsame Paare gibt es auch andere (wobei im jüngsten Fall die Massen der beiden auch höher sein könnten, 18 und 16 Jupitermassen), dazu noch Körper planetarer Masse, die einsam durch den Raum ziehen …

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