Woher kommt Titans »glatte« Oberfläche?

Position der Krater auf Titan, aufgetragen auf einer globalen topographischen Karte. Die Größe der einzelnen Krater ist relativ zum Durchmesser skaliert. Huygens Landestelle ist der weiße Stern, die Xanadu-Region das weiße Oval. [Neish, Lorenz 2013]

Eine oft gestellte Frage im Zusammenhang mit der geologischen Textur des größten Saturnmondes Titan ist die, warum sich einige Regionen augenscheinlich frei von Einschlagskratern zeigen. Wie eine neue Untersuchung zeigt, könnten solche Areale in früheren Zeiten sedimentgesättigte Feuchtgebiete oder flache Meere gewesen sein. Unter solchen Voraussetzungen wären nahezu sämtliche Überbleibsel einer veränderten Oberfläche zwischenzeitlich verschüttet bzw. abgetragen worden. Schon auf den ersten Blick unterscheidet sich die Titan-Oberfläche beispielsweise grundlegend von der pockennarbigen Gestalt des Erdmondes. Die wenigen Oberflächenmerkmale, die als Titankrater identifiziert wurden, erscheinen allesamt weit flacher, als sie in Relation zu ihrem Durchmesser sein sollten. Seit 2001 wurden lediglich 61 Krater bestimmt, oder als potenzielle Kandidaten gehandelt. Die meisten von ihnen mit einem Durchmesser von wenigstens 20 km.

Durch seine enorm dichte Atmosphäre verfügt der Saturnmond über eine wirkungsvolle Schutzhülle, die die Oberfläche vor Einschlägen kleinerer Objekte bewahrt. Gleichzeitig ermöglicht sie das Vorhandensein von Wetter auf Titan, dessen Einwirkungen der Erosion Vorschub leisten. Frühere Diskussionen zeichneten verschiedene Lösungsansätze für die überraschend geringe Kraterdichte des Titan. So könnten große Sedimentmengen mithilfe des dortigen Methankreislaufs aus den Hochgebieten in die Tiefebenen eingeschwemmt worden sein, und so fast sämtliche Spuren früherer Impakte überspült haben. Allerdings versagt dieser Ansatz bei der Erklärung, warum ausgerechnet in der Xanadu-Region, einer auffälligen Gegend von der Größe Australiens, die meisten noch vorhandenen Kraterspuren relativ zur Flächengröße lokalisiert werden können. Auch die viel beachtete Flugsandtheorie misslingt in wichtigen Detailfragen. Der größte Teil der Sanddünen befindet sich in den Hochlandgebieten des Mondes. In den kraterfreien Polargebieten hingegen gibt es weder Hinweise auf Sand, noch Sanddünen. Gleichfalls begründet die Cryovulkan-Hypothese – also der Ausbruch von flüssigem Methan oder anderen flüchtigen Substanzen anstelle von geschmolzenem Gestein – nicht, warum Krater in einigen flachen Gebieten vorkommen, in anderen aber nicht. Der durch photochemische Reaktionen in der dunstigen Atmosphäre entstehende Niederschlag aus Kohlenwasserstoffpartikeln ist nicht produktiv genug, um einen Großteil der Krater auf der Mondoberfläche verschwinden zu lassen. Um 6m Mächtigkeit zu erreichen, muss es eine Milliarde Jahre lang regnen. Um also einen Einschlagtrichter von einem Kilometer oder mehr zu verfüllen, ist Titan nicht alt genug.

Ein maßstabsgetreuer Vergleich der Oberflächenstrukturen zwischen der Xanadu-Region auf Titan (links) und dem Jupitermond Kallisto (rechts), aufgenommen von den Sonden Cassini und Galileo. [NASA/JPL-Caltech]
Ein maßstabsgetreuer Vergleich der Oberflächenstrukturen zwischen der Xanadu-Region auf Titan (links) und dem Jupitermond Kallisto (rechts), aufgenommen von den Sonden Cassini und Galileo. [NASA/JPL-Caltech]

Wenig Beachtung in allen Überlegungen fand bislang die Annahme, dass kosmische Einschläge von vornherein in sumpfigen Gebieten, porösen Sedimenten oder flachen Meeren niedergegangen sein könnten. 2005 wies die Huygens-Landestelle ganz ähnliche geomorphologische Eigenschaften auf. Solche Sammelbecken fließender Flüssigkeiten sind naturgemäß häufiger in tief liegenden Bereichen zu vermuten. Abgesehen davon, dass Einschläge selbst in flacheren Meeren oder Seen keine sichtbaren Spuren hinterlassen, bilden sie auch bei Niedergängen in »matschigen« Bereichen typischerweise keinen Krater mit Rand aus. Das aufgeweichte Material ließe die Kraterwände in sehr schneller Zeit zum Einbruch bringen. Titans topografische Gegebenheiten unterstützen diese Annahme, denn mehr als 50% der bekannten Krater liegen 100m oder mehr über Titans durchschnittlichem Höhenprofil. Tieflandkrater in der Xanadu-Region (eine der geologisch ältesten Gegenden des Satelliten) wären demnach in einer Zeit entstanden, bevor die Titan-Atmosphäre ihre heutige Gestalt entwickelte. Die Mondoberfläche wäre trockener, die Krater unversehrter geblieben. Die mit der dichter werdenden Atmosphäre verstärkt einsetzende Erosion und Modulation der Oberfläche hätte nicht genug Zeit gehabt, um die größten, jetzt noch sichtbaren Einschlagnarben von der Oberfläche zu tilgen.

Lars-C. Depka

Originalarbeit:
www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0019103513004156

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