»Verlorener« Sonnenfleckenzyklus Ende des 18. Jh. wiedergefunden

Die Sonnenaktivität im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert: A zeigt die monatlichen Wolf-Zahlen und die konventionelle Zählung der Zyklen, B die monatlichen Group Sunspot Numbers und C das neu rekonstruierte Schmetterlingsdiagramm. Die Farbskala zeigt die Anzahl der Flecken pro Jahr und Breitengrad an; die grauen Balken sind fehlende Zeiträume. [Usoskin et al.]
Die Sonnenaktivität im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert: A zeigt die monatlichen Wolf-Zahlen und die konventionelle Zählung der Zyklen, B die monatlichen Group Sunspot Numbers und C das neu rekonstruierte Schmetterlingsdiagramm. Die Farbskala zeigt die Anzahl der Flecken pro Jahr und Breitengrad an; die grauen Balken sind fehlende Zeiträume. [Usoskin et al.]
Man mag es für eine Lappalie halten, einen unbedeutenden Fehler aus der Pionierzeit der Astronomie — aber die Entdeckung mehrerer Sonnenforscher, dass es Ende des 18. Jahrhunderts offenbar noch ein schwaches Maximum der Sonnenaktivität mehr gab als man in den Wolf’schen Sonnenfleckenzahlen erkennen kann, könnte weitreichende Folgen für statistische Analysen, das Verständnis des Sonnenmagnetfelds und Prognosen für seine Entwicklung haben. Seit 400 Jahren werden nun schon Sonnenflecken gezählt, die wohl längste direkt ermittelte Messreihe der Wissenschaftsgeschichte: Besonders zuverlässig scheinen diese Zahlen ab 1749 zu sein, dank einer sorgfältigen Sichtung alter Daten durch Max Wolf Mitte des 19. Jahrhunderts (Grafik — obere Kurve). Doch schon bald war die Vermutung aufgekommen, Ende des 18. Jahrhunderts habe er womöglich ein schwaches Maximum übersehen: dort wo er einen besonders langen absteigenden Ast des »4. Zyklus« angenommen hatte.

Auch eine ganz neue Rekonstruktion der Sonnenaktivität Ende des 20. Jahrhunderts, die Group Sunspot Numbers, konnten die Frage nicht klären — aber mit den zahlreichen Sonnenzeichnungen des deutschen Amateurastronomen Johann Staudacher scheint dies nun gelungen zu sein.

Diese erst seit kurzem systematisch ausgewerteten Zeichnungen waren bereits verwendet worden, um der Breitenverteilung der Sonnenflecken während des Maunder-Minimums nachzuspüren, und dasselbe ist nun auch für das ausgehende 18. Jahrhundert gelungen (Grafik — unteres Diagramm). Staudachers Zeichnungen, wie auch die eines Iren, zeigen ziemlich deutlich, dass im Jahre 1793 Sonnenflecken wieder in höheren Breiten auftauchten, womit ein neuer »Flügel« des bekannten Schmetterlingsdiagramms einsetzt. Und zugleich ein neuer Zyklus der Sonnenaktivität begonnen haben muss, der zwischen dem 4. und 5. der Wolf’schen Zählung sitzt. Bis 1796 befinden sich die meisten Staudacher-Flecken in hohen Breiten und können daher nicht mehr zum 4. Zyklus gehört haben, dessen Flecken sich längst dem Äquator genähert hatten. Statt einem abnorm langen 4. Zyklus, der von Minimum zu Minimum 15,5 Jahre gedauert hätte, haben wir es vielmehr mit zwei ziemlich kurzen von 9 und 7 Jahren Dauer (ohne ausgeprägtes Maximum allerdings) zu tun: Das passt sogar besser zum typischen Verhalten der Sonne zur Zeit eines Großen Minimums mit insgesamt reduzierter Sonnenaktivität, wie es damals einsetzte. Die Autoren der Studie bitten nun nachdrücklich, in alle Aufzeichnungen der Sonnenzyklen »ihren« neuen einzufügen und Statistiken neu zu berechnen: Der fälschlich besonders lang angesetzte vierte wirkt sich nämlich auf manche Korrelationen unverhältnismäßig stark aus.

Daniel Fischer

Die neue Veröffentlichung: arxiv.org/abs/0907.0063

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