Wie schon bei der letzten totalen Sonnenfinsternis vor zwei Jahren hat auch am 1. August die Wettersituation in weiten Teilen der Totalitätszone die statistischen Erwartungen erreicht oder noch weit übertroffen. Nicht nur in der klimatologischen Topregion Westchina, sondern auch im Raum Nowosibirsk in Russland mit einer 50%-Chance und selbst im fast immer wolkenverhangenen Eismeer konnte die Sonnenkorona vielerorts mit wenig oder keiner Beeinträchtigung betrachtet werden, zusammen mit oft dramatisch intensiven Himmelsfarben. Und auch am Ende der Finsterniszone in der Mitte Chinas war die Totalität nur wenige Grad über dem Horizont überraschend deutlich – wenn auch stark gerötet – zu sehen, dem allgegenwärtigen schwülen Dunst dieser Jahreszeit zum Trotz. Über allem schwebten zudem zwei Flugzeuge voller Sonnenfinsternisbeobachter, ein großes aus Deutschland (siehe nächster Artikel) 7° vom Nordpol entfernt und ein kleines aus Kanada, das acht zu allem entschlossenen Beobachter im letzten Moment gechartert hatten: Überall entlang des Totalitätsstreifens war es dann doch nicht klar. Aber auch die letztlich erfolgreichen Bodenbeobachter in Asien mussten mitunter zittern.
„Bis 14 Uhr sah das Wetter nicht danach aus, dass man viel sehen kann,“ erinnert sich Gebhard Duda, der wie zehntausende andere ins russische Novosibirsk gereist war: „fast geschlossene Bewölkung mit nur einzelnen Lücken (so wie in den Tagen vorher). Danach klarte es aber erfreulicher Weise schnell auf, ein teilweise kräftiger Wind sorgte für fast total klaren Himmel während der gesamten Finsternis. Während der partiellen Phase zogen nur wenige, kleine Wolkenfetzen vorbei. Der Wind war auch ganz angenehm, nur noch schwach, die Temperatur zwischen 25° und 30°.“ Die Minimumskorona mit langen – aber schwachen – Streamern parallel zum Äquator und mehrere größere Protuberanzen waren bestens zu beobachten, links davon bis zu vier Planeten. Aber: „Um 20 Uhr bewölkte es sich wieder, gegen 21 Uhr fing es zu regnen an.“ Den umgekehrten Wetterverlauf erlebten tausende mehr – darunter der Autor – just in dem chinesischen Finsterniscamp nahe des Städtchens Yiwu in der Provinz Xinjiang, das inmitten der generell besten Klimazone (über 70% klarer Himmel) lag. Der Morgen des 1. August hatte völlig wolkenlos begonnen, und zuerst bildeten sich nur orographische Wolken über den bis zu 5500m hohen Bergen der Nachbarschaft. Aber im Laufe des Tages – die Totalität sollte erst am späten Nachmittag in 19° Höhe zu sehen sein – formten sich auch über den weiten Steppen immer mehr Wolken ausgerechnet Richtung Westen.
Trotz lautstarken Protests aus tausenden Kehlen verschwand die schon recht schmal gewordene Sonnensichel eine Viertelstunde vor dem 2. Kontakt hinter einer besonders fetten Wolke. Mutmaßungen über die Zugrichtung der Wolken im Verhältnis zur sinkenden Sonnenhöhe – einige beginnen gar los zu sprinten, um dem vermeintlichen Unheil zu entgehen, andere mit Privatfahrer verlassen die Zentrallinie in Richtung blauem Himmel. Doch wer ausharrte, gewann: Nur Sekunden vor dem Beginn der 1 Minute und 56 Sekunden währenden Totalität war die Sonne wieder frei und blieb es auch bis lange nach dem 3. Kontakt. Nicht die Minimumskorona und die – nur im Feldstecher oder Kamerasucher deutlichen – Protuberanzen bestimmten jetzt das Gesamtbild, sondern die phänomenalen Himmelsfarben, die in solcher Intensität schon lange nicht mehr zu sehen waren. Die niedrige Sonnenhöhe und die nach tagelangen Regenfällen besonders transparente Atmosphäre dürften dazu beigetragen haben – und die im Kernschatten schwarzen und außerhalb weißen Wolken rund um die verfinsterte Sonne gaben dem Gesamtbild eine Dramatik, die bei klarerem Himmel fehlt. Dieser lachte indes über anderen Camps weiter südöstlich in der Nachbarprovinz Gansu nahes des Westendes der Großen Mauer, und selbst in der Umgebung der alten Hauptstadt Xi’an war die Finsternis knapp über dem Horizont noch auszumachen: eine gelungene Generalprobe für die ganz große China-Finsternis am 22. Juli 2009.
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