Perseus-Arm der Milchstraße wirklich nur 2 Kiloparsec weit entfernt

Perseus-Arm

Er ist der Spiralarm unserer Milchstraße, der der Sonne am nächsten kommt, aber genau dieser Minimalabstand war bisher erstaunlich kontrovers geblieben: Aus der Geschwindigkeit des Perseus-Arms ergab sich mit fast 5 Kiloparsec (kpc) oder 15 000 LJ eine doppelt so große; Distanz wie aus den scheinbaren Helligkeiten von einzelnen hellen O-Sternen im Arm, deren absolute Helligkeit man zu kennen glaubte und die für nur 2,2 kpc sprachen. Der Widerspruch ist nun von Radioastronomen gelöst worden: Mit dem Very Long Baseline Array aus Schüsseln von Hawaii über die kontinentalen USA bis auf die Jungferninseln konnten sie die Parallaxen zu mehreren Objekten in einer Sternentstehungsregion im Perseus-Arm messen und dabei eindeutig die kürzere Distanz bestätigen. Was umgekehrt bedeutet, dass dieser Teil des Arms ungewöhnlich langsam um das Galaktische Zentrum rotiert, was wiederum mit der Physik hinter den Spiralarmen selbst zu tun haben dürfte.

Untersucht wurde das massereiche Sternentstehungsgebiet W3OH, in dem es mehrere Maser-Quellen gibt: In den dichten Molekülwolken sind an mehreren Stellen die Bedingungen gegeben, um bei Methanol und Wasserdampf Laser-ähnliche Selbstverstärkung von Radiostrahlung auszulösen. Die Maser erscheinen als grelle Punktquellen am Radiohimmel, und mit dem VLBA ist es in den vergangenen Jahren gelungen, ihre Distanz rein geometrisch zu bestimmen: Die Bewegung der Erde auf ihrer Bahn dient als Basislinie, und die Maser verschieben sich im Laufe eines Jahres periodisch gegenüber extragalaktischen Radioquellen. Die Messungen von Xu et al. (Science 311 [6.1.2006] 54-7) an den Methanol-Masern haben eine Genauigkeit von 10 Mikrobogensekunden (µas), und die Parallaxe der Maser durch die Erdbahn beträgt 512±10 µas: Daraus ergibt sich eine präzise und zweifelsfreie Distanz zu W3OH von 1,95±0,04 kpc oder 6360±130 Lichtjahren. Aus Wassermasern in W3OH konnten gleichzeitig Hachisuka et al. eine Distanz von 2,04±0,07 kpc ableiten, statistisch identisch, und eine weitere unpublizierte trigonometrische Entfernungsbestimmung zum benachbarten Turner-Welch-Objekt im Perseus-Arm (ebenfalls 2,04±0.07 kpc) passt gleichfalls.

Doch damit weicht die Geschwindigkeit von W3OH auf seiner Bahn rund ums Milchstraßenzentrum um 22 km/s von dem ab, was man in seinem Abstand von 9,95 kpc erwarten sollte! Als Ursache für diese erhebliche Eigenbewegung vermuten Xu et al., dass das Sternentstehungsgebiet gerade von einem Schock in den Dichtewellen erfasst wurde, die nach verbreiteter Auffassung in der Spiralstruktur der Milchstraße umlaufen und überhaupt erst für die Ausbildung der Spiralarme sorgen. Solch große; Geschwindigkeitssprünge sind trotzdem schwer zu erklären: Man kennt sie etwa aus der Jagdhundegalaxie Messier 51, doch dort ist die bekannte Begleitgalaxie klar der Verursacher. Ein vergleichbarer Störenfried der Milchstraße ist hingegen nicht bekannt. Die VLBA-Messungen der direkten Entfernung zu W3OH sind jedenfalls ein Meilenstein in der Geschichte der Vermessung des Universums: Die 10 µas astrometrische Genauigkeit erlauben bei geeigneten Radioquellen Entfernungsmessungen in einer Sphäre, die bis über das Zentrum der Milchstraße hinaus reicht. Sie sind 100-mal genauer als was der legendäre ESA-Astrometriesatellit Hipparcos schaffte (1 mas), doch dessen Nachfolger Gaia sollte im nächsten Jahrzehnt Distanzen zu Milliarden Sternen mit VLBA-vergleichbarer Qualität liefern können.

Daniel Fischer

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  • Es gibt jede Menge Aufnahmen vom Sagitariusarm und der zentralen Galaxie aber noch nie wurden Fotos vom uns näher gelegenen Perseusarm veröffentlicht, ja man sollte nach der grafischen Verortung unseres Sonnensystems in der Milchstraße sogar davon ausgehen dürfen, dreiseitig von der Milchstraße umfasst zu sein. Ist der Perseusarm so sternenarm und frei von kosmischen Staubes, das er nicht gesehen werden kann?

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Daniel Fischer

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