Meldungen aus der Forschung

Neuer ‚extremer‘ Transneptun testet Vorhersage von „Planet Neun“

Im äußeren Sonnensystem sind Astronomen während einer kosmologischen Himmelsdurchmusterung auf einen Himmelskörper mit einer „extremen“ Kombination von Bahneigenschaften gestoßen, wie sie noch nie beobachtet wurde: Der 400 bis 700 km große 2015 BP519 läuft einmal in rund 9500 Jahren auf einer sehr länglichen Ellipse um die Sonne, die bis auf 35 au an die Sonne heran aber auch 860 au weit weg führt – und um 54° gegen die Bahnebene der Planeten geneigt ist! Zwar ist es kein Beweis, aber der Einfluss des hypothetischen „Planet Neun“ wäre wohl die einfachste Erklärung, wie er auf diese Bahn gekommen ist.

Die Dark Energy Survey mit dem Victor M. Blanco Telescope auf dem Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile (4 Meter Hauptspiegel, aufwändige Weitwinkelkamera) kümmert sich eigentlich um ferne Galaxien, aber es geraten ihr auch immer wieder interessante Körper des äußeren Sonnensystems ins Blickfeld – auch solche mit großer Neigung ihrer Bahn zur Ebene des Sonnensystems, die Himmelsdurchmusterungen rund um diese nun mal am dichtesten bevölkerte Zone leicht entgehen können. Darunter nun mit 2015 BP519 ein regelrechter Extremist im äußeren Sonnensysten: Er gehört zu den ETNOs, den „extremen Trans-Neptunischen Objekten„, die nie näher als 30 au (Astronomische Einheiten = Abstände Erde – Sonne, also hier 4,5 Mrd. km) an die Sonne heran kommen und deren große Bahnhalbachsen (also ihr mittlerer Sonnenabstand) mindestens 250 au betragen. Mit Werten von 35 bzw. 450 au fällt er unter dem Dutzend bekannter ETNOs nicht besonders auf, wohl aber mit seiner enormen Bahnneigung von 54° (Grafik oben)! Der Mittelwert der Bahnneigungen der ETNOs ist nur 17° und keine war bisher größer als 30° – nach einem speziellen Maß für die „Extremheit“ seiner Bahn, in das deren Exzentrizität (0,92) und die Neigung eingehen, ist 2015 BP519 allen Mit-ETNOs weit voraus, wie die Grafik unten zeigt.

Auf die Kombination kommt es an! Hier sind alle bis Oktober 2017 entdeckten Transneptune mit gut bekannten Bahnen und Perihelia außerhalb der Neptunbahn eingezeichnet, mit der Bahnneigung in Grad in der x-Achse und der Bahnexzentrizität in der y-Achse, dazu Kurven konstanter „reduzierter Kozai-Wirkung“, einer aus beiden Werten berechneten Größe. Rot sind diejenigen Transneptune, deren große Bahnhalbachsen über 250 au liegen: 2015 BP519 fällt mit seiner deutlich kleineren Kozai-Wirkung völlig aus dem Rahmen. [Becker et al.]
Wie kann ein Himmelskörper derart auf die ’schiefe Bahn‘ geraten sein? Seine Entdecker haben seine Bewegungen im Sonnensystem unter dem Einfluss der anderen Planeten weit in die Vergangenheit zurück verfolgt (wobei Scharen von Körpern mit leicht variierten aktuellen Bahnen getestet werden, um ein Gefühl für die Stärke von Veränderungen zu bekommen): Nicht ein einziger Probe-BP519 begab sich in der Vergangenheit freiwillig in die Ebene des Planetensystems zurück, wo er sich einst gebildet haben sollte. Es muss mithin einen Extra-Mechanismus gegeben haben, der seine Bahn gewaltig verkippte. Vielleicht passierte es schon sehr früh in der Geschichte des Sonnensystems, als sich die Planeten nach heutiger Auffassung erheblich umarrangierten und dabei einzelne kleinere Himmelskörper erhebliche Bahnänderungen erfahren konnten. Auch könnte man sich Wechselwirkungen mit dem Neptun, dem das Objekt immerhin relativ nahe kommt, oder einem nahe vorbei ziehenden Stern als Ursache vorstellen, was aber noch unwahrscheinlicher wäre. Ganz zwanglos würde die hohe Bahnneigung von 2015 BP519 hingegen der postulierte „Planet Neun“ im äußeren Sonnensystem erklären können – doch ein Beweis für dessen Existenz ist auch er nicht. Sollten sich allerdings noch mehrere weitere Extrem-ETNOs finden, sähe das schon anders aus.

LINKS:

Originalarbeit: https://arxiv.org/abs/1805.05355
Die Bahn im Raum: https://twitter.com/dAArkEnergy/status/994593248017514497
Hintergrund: https://www.quantamagazine.org/a-new-worlds-extraordinary-orbit-points-to-planet-nine-20180515

Daniel Fischer

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Daniel Fischer

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