Mit der glücklichen Rückkehr der Probenkapsel der Raumsonde Stardust am Morgen des 15. Januar (Abb.: Abtransport in Utah) sind den kosmischen Staubforschern um Don Brownlee rund eine Million Teilchen aus der Koma des Kometen Wild 2 in die Hände gefallen, durch die Stardust vor zwei Jahren gesaust war – und geschätzte 40 bis 200 interstellare Staubteilchen, die mit der Rückseite desselben Staubfängers in zwei langen Intervallen 2000 bis 2002 vor der Kometenpassage gesammelt worden sein sollten. Dass interstellarer Staub durch das Sonnensystem saust, wurde überhaupt erst in den 1990-er Jahren von der Raumsonde Ulysses entdeckt. Stardusts Fangmechanismus von der Größe eines Tennisschlägers enthält rund 100 Blöcke aus Aerogel, einer Substanz extrem geringer Dichte, in der die Staubteilchen relativ sanft abgebremst wurden – wenn man bei Eintrittsgeschwindigkeiten von 6,1 km/s für den kometaren und mehreren Dutzend km/s beim interstellaren Staub von schonendem Umgang sprechen kann. Den Kometenstaub zu finden, ist offensichtlich kein Problem: So wie der Staubfänger zwei Tage nach der Landung ausgepackt war, konnte man hunderte Spuren der grössten eingeschlagenen Teilchen leicht mit dem blossen Auge erkennen.
Aber mit dem interstellaren Staub wird das erheblich schwieriger: Diese Teilchen dürften allesamt kaum grösser als 1 µm sein, und ihre Spuren sind nur unter dem Mikroskop zu erkennen. Nun verteilen sich die 45 (das war die erste Schätzung) bis 200 (so die jüngsten Vermutungen) interstellaren Teilchen aber über ebenfalls die gesamte Fläche des Staubfängers, nämlich seine Rückseite: Sie wird komplett mit einem automatischen Mikroskop abgetastet, und zwar jedes der 1,6 Mio. Bildfelder von 260 × 340 µm auch noch in 40 verschiedenen Tiefenschritten, woraus dann jeweils eine Animation erstellt wird. Das ist wichtig, denn nur wenn eine Spur in allen Ebenen zu erkennen ist, stammt sie mit einiger Wahrscheinlichkeit von einem Einschlag. Nun wird es aber mindestens 30 000 Arbeitsstunden erfordern, all diese Filmchen sorgfältig durchzusehen – und weil man nicht weiss, wie solch eine Spur genau aussieht (im Bild eine Simulation), und das Aerogel nach sieben Jahren im All überdies voller Schäden sein könnte, kann diese Aufgabe kein Computer erledigen. Aus diesem Grund werden seit dem 11. Januar Sternfreunde in aller Welt aufgerufen, im Rahmen von http://stardustathome.ssl.berkeley.edu/ auf die Filmchen zuzugreifen – und in der ersten Woche meldeten bereits 65 000 ihr Interesse an!
Dieses Projekt ist stark an das bekannte SETI@home angelehnt, bei dem Computer dezentral (und letztlich erfolglos) nach intelligenten Signalen aus dem All suchten: kein Wunder, sassen die SETI-Programmierer doch nur wenige Türen von dem Stardust-Forscher entfernt, der über der schier unlösbaren Aufgabe der interstellaren Staubsuche brütete. Nur dienen diesmal Computer nur zum Verteilen der Daten, während der Mensch mit seinem unübertroffenen Auge-Gehirn-System die Arbeit macht. Aber der Lohn ist groß: Wer ein echtes interstellares Teilchen aufspürt (und nach der ersten Einschätzung nach der Bergung ist das Aerogel sauberer geblieben als befürchtet), darf es taufen und wird überdies als Co-Autor in der ersten wissenschaftlichen Publikation genannt! Der Wiedereintritt der Stardust-Kapsel war wie geplant aus einem Forschungsflugzeug heraus problemlos beobachtet worden, wobei die Leuchterscheinung (Bild: ein Video-Standbild) etwa eine Minute dauerte; auch Forscher aus Stuttgart waren an Bord. Schwere Wolken gewährten leider nur wenigen Beobachtern am Boden einen Blick und Foto-Chancen, aber zu ihnen gehörte auch Brownlee selbst, der im Landegebiet in Utah wartend die glühende Kapsel als marsähnlichen Stern mit Schweif »aufgehen« sah.
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