Mit Gravitationslinsen noch »tiefer« ins All geblickt

Die bisherige Hubble-Summenaufnahme des Galaxienhaufens AGC 2744 aus dem Beobachtungsprogramm »Frontier Fields«, bei der die Gravitationslinsenwirkung von Haufen als zusätzliche »Linse« für den Blick in den noch ferneren Kosmos genutzt wird. Die gleichzeitig aufgehellten und verzerrten Hintergrundgalaxien erscheinen als bläuliche Striche, da es sich um eine Falschfarben-Darstellung handelt: Der blaue Kanal entspricht sichtbarem, der grüne und der rote Kanal nahinfrarotem Licht von 800nm bis 1,6µm. [NASA, ESA, J. Lotz, M. Mountain, A. Koekemoer und das HFF-Team (STScI)]

Wenn Astronomen mit großen Teleskopen die fernsten Galaxien aufspüren wollten, nahmen sie gerne »Deep Fields« auf. Besonders leere Himmelsareale wurden tage- oder wochenlang belichtet, bis sich in den Summenbildern die schwachen Objekte abzuzeichnen begannen: Das Hubble Space Telescope ist so schon bis zu 30. Größenklasse vorgedrungen. Aber es geht noch effizienter: Galaxienhaufen wirken – das ist keine Neuigkeit mehr – als Gravitationslinsen, die die Bilder von Galaxien in noch größerer Entfernung stark verändern können: Sie werden stark verzerrt und sie werden, wenn die Sichtgeometrie stimmt, auch deutlich heller. Wie eine zusätzliche Optik können Galaxienhaufen eingesetzt werden, und genau das ist die Strategie bei den Hubble Frontier Fields (HFF), einem ungewöhnlich großen Forschungsprogramm für das bald 25 Jahre alte Weltraumteleskop, dem derzeit 840 Erdumläufe und insgesamt drei Jahre gewidmet werden. Von sechs Galaxienhaufen werden nacheinander lang belichtete Aufnahmen gewonnen und nach verzerrten und aufgehellten Bildern von Hintergrundgalaxien abgesucht.

Die Daten zum ersten der HFF-Haufen sind nun freigegeben worden und auch das beeindruckende Summenbild von AGC (Abell galaxy cluster) 2744, mit einer Gesamtbelichtungszeit von ca. 50 Stunden: Er entstand in der Kollision von mindestens vier kleineren Galaxienhaufen, deren Folgen in dem wirren Muster der Vordergrundgalaxien noch zu sehen sind. Dazwischen treten ca. 3000 verzerrte Bilder von Hintergrundgalaxien hervor. Manche haben Rotverschiebungen von mehr als 6 – und Leuchtkräfte, die um einen Faktor 10 bis 20 unter der bisher selbst für Hubble erreichbaren Grenze in diesen Entfernungen liegen. Da AGC 2744 bereits gut untersucht und sein Schwerefeld verstanden ist, lassen sich Anzahl und Helligkeit der gelinsten Galaxien statistisch auswerten: Im Überlappbereich bestätigt sich die Helligkeitsfunktion, die bereits mit den Deep Fields ermittelt worden war, aber nun kann sie zu bisher unerreichbar geringen Helligkeiten fortgeschrieben werden. Da insgesamt sechs Haufen-Linsen in verschiedenen Richtungen auf dem Programm stehen (wobei die Belichtungszeit für AGC 2744 noch verdoppelt wird), sollte sich am Ende ein zuverlässiges Gesamtbild des frühen Kosmos ergeben.

Daniel Fischer

STScI-Veröffentlichung:
hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2014/01/full
Erste Analysen:
arxiv.org/abs/1311.7670
Hintergrund:
www.nature.com/news/hubble-telescope-reveals-deepest-view-of-the-universe-yet-1.14489

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