Leserbrief: „Wie kann das Weltall expandieren, wenn es unendlich ist?“

Hubble Deep Field
Das Hubble Deep Field von 1995 in voller Pracht. Fast alle Objekte sind ferne Galaxien. R. Williams (STScI), das Hubble Deep Field Team und NASA

„Zu Ihrem in Abenteuer Astronomie Heft 7 publizierten Beitrag hätte ich folgende Fragen: Wenn das Weltall möglicherweise unendlich ist und dies auch schon im Urknall war, wie ist es dann möglich, dass es dennoch expandiert? In einem unendlichen All könnte de facto alles unendlich oft vorkommen. Ist dies so zu verstehen, dass es auch von uns Menschen unendlich viele Kopien geben muss oder muss das nicht zwingend so sein?“ Peter Reinhard

Dr. Andreas MüllerAndreas Müller: „Wir können auch in einem unendlichen Universum die Expansion feststellen. Die Astronomen greifen sich aus dem (möglicherweise unendlichen) Universum eine weit entfernte Galaxie (oder Supernova) heraus und bestimmen ihre kosmologische Rotverschiebung. Können sie sich mit weiteren Methoden (beispielsweise mit veränderlichen Sternen, den Cepheiden; oder aufgrund der Kenntnis der absoluten Helligkeit von Supernovae Typ Ia) die Entfernung beschaffen, so können sie kosmologische Parameter bestimmen, also Hubble-Parameter, Anteile Dunkler Materie und Dunkler Energie. Das legt wiederum das Expansionsverhalten des Universums fest.

Hier der Versuch einer Analogie: Wenn Sie den Abstand zweier Schiffe auf dem Meer bestimmen, müssen Sie nichts über die Größe des Meeres oder die Lage der Meeresufer wissen. Hier stehen die Schiffe für die Galaxien und das Meer für das Universum. Auch wenn das Universum unendlich ist, ist es nicht zwingend, dass es unendlich viele Kopien von Menschen gibt. Wir könnten sogar dennoch die einzigen sein, weil wir am einzigen Ort in dem unendlichen Kosmos leben, wo alle Bedingungen für Leben erfüllt sind.“

Dr. Andreas Müller ist Astrophysiker und beantwortet in seiner Kolumne Leserfragen zur Kosmologie. Wenn Sie sich in seiner Rubrik ein bestimmtes Thema wünschen, schreiben Sie an redaktion@abenteuer-astronomie.de.

8 Kommentare zu Leserbrief: „Wie kann das Weltall expandieren, wenn es unendlich ist?“

  1. Was die Aussage betrifft: „Auch wenn das Universum unendlich ist, ist es nicht zwingend, dass es unendlich viele Kopien von Menschen gibt. […]“ ist leider falsch. Ein isotropes homogenes Universum vorausgesetzt, gilt folgende Überlegung: In einem endlichen Raumbereich gibt es nur eine endliche Anzahl an Möglichkeiten, die darin befindlichen Teilchen anzuordnen. Folglich braucht man nur eine genügend große Anzahl an Raumbereichen, damit sich die Anordnung wiederholen muss. Bei unendlich vielen Raumbereichen, wie in einem unendlichen Universum der Fall, ist die Anzahl der Wiederholungen zwangsläufig sogar unendlich groß.

    • Lieber Herr Radünz

      Ihre Aussage ist für sich genommen richtig, aber sie können nicht „unendlich viele Raumbereiche“ mit einem „unendlich großen Universum“ gleichsetzen. Ein unendlich großes Universum ist ja nicht ein Ort, in dem alle Anordnungsmöglichkeiten von Teilchen vorkommen.

      Insofern bleibe ich bei meiner Aussage: „Auch wenn das Universum unendlich ist, ist es nicht zwingend, dass es unendlich viele Kopien von Menschen gibt.“

      Beste Grüße,
      Andreas Müller

      • Lieber Herr Müller,

        ich weiß nicht, wie Sie ein unendlich großes Universum ohne zugleich unendlich viele Raumbereiche haben wollen. Die Raumbereiche können dabei jede beliebige Größe haben. Jeder einzelne kann sogar als unendlich groß angenommen werden. Was heißt denn dann für Sie „unendlich“, wenn nicht genau das?

        Schöne Grüße
        Armin Radünz

  2. Zur ursprünglichen Frage von Herrn Reinhard: Verhält es sich nicht so, dass zwar der Raum in dem sich das Universum (also die Gesamtheit aller Teilchen) unendlich ist, das Universum selbst jedoch nicht, sondern sich im Raum ausdehnt? Geht man von der Urknall-Theorie aus, dann war das Universum mal eine Singularität und somit in diesem Zustand nicht unendlich. Da beim Urknall die Expansion des Universums jedoch größer war als die Lichtgeschwindigkeit, sollte es wiederum Bereiche des Universums geben, die von uns nicht beobachtbar sind. Andernfalls wäre der Nachthimmel auch taghell, da uns das Licht von unendlich vielen Sternen erreichen würde, die über den gesamten Himmel verteilt wären.
    Zu den menschlichen Kopien eine Frage: Liegt es nicht im Bereich des Möglichen, dass es durch die Existenz von Antimaterie genauso wie es ein Materie-Ich auch ein Antimaterie-Ich gibt? Das wäre ja dann im Prinzip eine Kopie von mir – nur eben negiert?

  3. Nur im Spiegeluniversum (Licht!) des Fordismus gibt es Doppelgänger. Eine Singularität hat kein Jenseits. Das Ganze, ist keine vollständige Unendlichkeit des Gesehenen, sondern unendliche Variation des Unbekannten.

  4. Was auch immer die Raumeinheit ist, die darin enthaltenen Teilchen sind mächtiger, also nicht proportional gleich, der Anzahl von Raumeinheiten.

    Die unendlichen Variationsmöglichkeiten der Teilchen schließen den exakt selben Geschichtsverlauf in zwei verschiedenen Raumeinheiten aus.

    Unendlichkeit ist keine Wiederholung einer Endlichkeit in Ewigkeit. Es gibt unzählig viele Galaxien, aber keine gleicht einer anderen auf den Stern genau. Noch weniger auf den Planeten, die Meteore und noch Kleinere und kleinere.

    Alles variiert, unendlich, von Quantensprung, zu Quantensprung.

  5. Es ist doch unsinnig zu sagen, es hätte eine Urknall-Singularität gegeben und gleichzeitig anzunehmen, das Universum wäre unendlich groß. Dann hätte bereits die Singularität unendlich ausgedehnt sein müssen, was den Begriff der Singularität konterkariert. Ich schließe daraus, dass Unendlichkeiten mathematische Abstrakta sind, die in der Realität keine Entsprechung haben. Überall, wo in der Physik Unendlichkeiten auftauchen, können wir sicher sein, dass mit unserer Theorie etwas nicht stimmt.

    • Ein endliches Wesen hat es schwer mit der Unendlichkeit. Das Universum als endlich vorzustellen ist aber ebenso schwer wie schwierig. Die Existenz „Schwarzer Löcher“ wird jedenfalls nicht mehr bezweifelt. Aber ein Jenseits der Ausdehnung ohne Raum, ist ein Wiederspruch. Ich habe keine Probleme Widersprüche in der Theorie anzunehmen. Problematisch wird es erst wenn der Physiker das Universum als Volumen uneinheitlicher Größe verstehen lernt und das Nicht-Wissen als größten Komplex der Theorie, nicht wahrnehmen will. Darin gleicht der Wissenschaftler dem Politiker, sollte den Materialismus aber dialektisch denken. Die Wertabspaltung zu kritisieren ist vernünftig. Das Universum ist weder abstrakte Mathematik noch theoretische Physik, aber sowohl als auch, Geschichte der Menschheit.

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