Kometen: In der Hitze geboren

Darstellung des Photophoreseeffekts auf ein Teilchen des protoplanetaren Nebels: Durch den veränderten Gasdruck der »Tagseite« bewegt sich das Teilchen von der Strahlungsquelle weg. [Institut UTINAM (Univers, Transport, Interfaces, Nanostructures, Atmosphère et environnement, Molécules) Université de Franche-Comté]

Kometen kennt man im Allgemeinen als eisige Objekte, die in großer Entfernung zur Sonne ihre exzentrischen Bahnen ziehen. Zu sehen sind sie erst dann, wenn sie diese Bahnen wieder in Sonnennähe führen. Überraschenderweise ist das auch ihr Geburtsort.

Die Schweifsterne bestehen im Wesentlichen aus dem Kern (zumeist Wasser-, Trocken-, sowie CO-Eis), Methan und Ammoniak. Und dennoch findet man in ihnen auch Substanzen, die sich erst bei sehr hohen Temperaturen bilden. Auf den ersten Blick ein Umstand, der so gar nicht zueinander finden will. Dabei spielt der Mechanismus, der erst die Emigration der späteren Kometenbausteine aus ihren heißesten Entstehungsgebieten in die kühlen äußeren Bereiche des frühen Sonnensystems ermöglicht, die entscheidende Rolle. Gängigen Annahmen zur Folge, bilden sich Kometen bei sehr niedrigen Temperaturen um 50K, also etwa –220°C. Allerdings fand man in den Wild 2-Proben (Komet 81P/Wild) kristalline Silikate sowie Kalzium-Aluminium reiche Einschlüsse, sogenannte Calcium-Aluminium-rich Inclusions (CAIs). Sie bestehen aus Kalzium- und aluminiumhaltigen Mineralien, und gehören zu den ersten Mineralien, die bei verhältnismäßig hohen Temperaturen aus dem sich abkühlenden protoplanetaren Nebel, aus welchem sich später das Planetensystem bildete, auskondensierten. Sowohl die ortho-Kieselsäure Kondensate (Silikate), als auch die CAIs synthetisieren also bei Temperaturen über 1000K oder ca. 730°C, was zwingend die Frage nach dem Mechanismus, der die beobachtete Zusammensetzung erklärt, sowie seiner Wirkweise im Einzelnen, aufwirft. Dieser Mechanismus könnte in dem physikalischen Phänomen der Photophorese zu finden sein, unter dem im weiteren Sinne die Bewegung kleinster Teilchen unter der Einwirkung von Lichtstrahlen verstanden wird. Wie alle Bausteine des späteren Planetensystems bildeten sich auch die der Kometen in der protoplanetaren Scheibe, in der sich neben strahlungsdurchlässigem Gas auch Populationen solider Körnchen bis hin zu cm-Größe aufhielten. Der Theorie zufolge trieben die soliden Teilchen durch den Einfluss der Photophorese immer weiter Richtung Randbereiche der Scheibe. Doch wie ist dieser Einfluss, bzw. seine Wirkweise im Einzelnen zu verstehen?

Während ihrer Wanderung wurde eine Seite der Partikel aufgrund des Effektes der solaren Strahlung stärker aufgeheizt als ihre »strahlungsabgewandte«, also die Leeseite. Die unterschiedlich hohen Oberflächentemperaturen führten in der Folge zu einem veränderten Verhalten der Gasmoleküle auf der jeweiligen Oberfläche der Körnchen: Die Gasmoleküle auf der »Sonnenseite« waren sehr viel instabiler (bewegten sich schneller) als die auf der »kalten« Seite der Körnchen. Die auf diese Weise entstehende Druckdifferenz trieb die Teilchen weg von der Strahlungsquelle in die weiteren Außenbereiche, wo sie schließlich weiter zu den heute beobachteten Kometen heranreiften.

Lars Depka

Originalarbeit:
www.aanda.org/index.php?option=com_article&access=standard&Itemid=129&url=/articles/aa/abs/2011/07/aa16476-11/aa16476-11.html
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