Furioses Finale für McNaught: erst freisichtig neben der Sonne, jetzt glorios am Himmel des Südens – und das Ende des 40°-Staubschweifs kann man hierzulande sehen

Furioses Finale für McNaught (1)

Ebenso rasant, wie der Komet C/2006 P1 (McNaught) Mitte Januar durch den sonnennächsten Punkt seiner Bahn sauste, veränderten sich auch die Sichtbedingungen von der Erde aus – und dabei übertrafen sie noch die kühnsten Erwartungen! Insbesondere ist die Show für Europa keineswegs vorbei: Der Staubschweif ist jetzt so hell und lang und nach Norden gekrümmt, dass seine Ausläufer selbst noch über den deutschen Horizont ragen! Die Helligkeit McNaughts war von -3,5m am 11. auf -4m am 12. und -5m bis -6m am 13. und 14. Januar gestiegen; am 15. waren es dann wieder -4m, am 16. -3,6m und am 17. -2,5m: McNaught ist damit der hellste Komet seit Ikeya-Seki 1965 geworden (der ihn allerdings noch um mehrere Größenklassen übertraf) und hat selbst West 1976 zumindest an Komahelligkeit deutlich geschlagen. Der »hellste Komet der Geschichte« (wie es fälschlich in einer weit verbreiteten Agenturmeldung hiess) wurde McNaught natürlich nicht, wohl aber eine der bemerkenswertesten Kometenerscheinungen seit Jahrzehnten und sicherlich für die heutige Generation. Die große; Helligkeitsspitze in Sonnennähe liess McNaught von Europa aus am Abend des 10. und 11. Januar am klarsten strahlen, und der Schweif wurde meist auf 1°, mitunter aber bis zu 4° Länge geschätzt.

Furioses Finale für McNaught (2)

Dann versank der Komet zwar in der Abenddämmerung, war aber dank Venushelligkeit überraschend auch am 12. und sogar 13. Januar noch zu erwischen, stets mit einer extrem kleinen Koma von nur Bogenminuten Größe und höchstem Kondensationsgrad. Vor allem am 13. Januar war McNaught – bei transparentem Himmel – tatsächlich tagsüber mit blossem Auge neben der Sonne zu erspähen, wenn man sie abschattete, und instrumentell bestens zu beobachten (Bild links: Gährken mit dem 80-cm-Spiegel der Volkssternwarte München). Manchmal gelangen visuelle Sichtungen ohne Hilfsmittel auch am 12. und 14., je nach Transparenz musste allerdings zum Feldstecher oder gar grösseren Fernrohr gegriffen werden: Schon kaum merklicher Dunst konnte alle Beobachtungsversuche mit kleiner oder ganz ohne Optik sabotieren.

Zu dieser Zeit zog McNaught bereits durch das Bildfeld des SOHO-Koronografen LASCO C3 (Film oben links), und just als er es wieder verliess, tauchte er auf der Südhemisphäre am Abendhimmel auf: erst nur in der hellen Dämmerung, aber seit dem 17. Januar an zunehmend dunklerem Himmel. Das Bild (oben rechts: H. Pieterse, Südafrika, Abend des 19. Januar) hatte sich gegenüber den Impressionen aus Europa von nur einer Woche zuvor dramatisch gewandelt: Der Staubschweif war erheblich länger – rund 40° – und strukturreicher geworden, inklusive prächtiger Synchronen durch simultan freigesetzte Staubteilchen, wie sie zuletzt so gut bei West zu sehen gewesen waren. Wie allerdings die atemberaubende Gestalt des McNaught’schen Staubschweifs zustande kommt, darüber wird in Fachkreisen noch emsig debattiert: Auch zerbrechende Staubteilchenkomplexe können ähnliche Schweifstrukturen erzeugen. Nach wenigen Tagen war es bereits möglich, den Schweif in all seiner Pracht vor echtem Nachthimmel zu bestaunen, nachdem der Kometenkopf bereits lange untergegangen war und die Sonne tief unter dem Horizont stand (was in Europa vor dem Perihel nie möglich gewesen war).

Furioses Finale für McNaught (3)

Die Flächenhelligkeit des Schweifs übertraf dabei zeitweise die hellsten Regionen der Milchstraße oder der Magellanschen Wolken – und die äussersten Ausläufer des sich stark nach Norden krümmenden Schweifes ragten sogar auf der Nordhalbkugel über den Horizont! Die ersten Sichtungen kamen aus den USA, wo die hinteren Synchronen am Südhorizont wie ein deplatziertes Nordlicht schimmerten – aber bald folgten auch die ersten Bilder aus Europa, inklusive Deutschland: McNaught will uns einfach nicht verlassen. Während sich der Komet auf der Südhalbkugel immer tiefer in den dunklen Himmel schiebt, ist (trotz offenbar deutlich sinkender Komahelligkeit in den letzten Tagen) kein Ende des Spektakels in Sicht, von dem so mancher noch vor Wochen geglaubt hatte, es werde sich ausschliesslich den paar Sonnensatelliten darbieten! Für SOHO war der Komet indes eigentlich viel zu hell gewesen, und selbst Filterbeobachtungen konnten die Lichtfülle kaum dämpfen, als er durch’s Bildfeld lief – alle früheren Kometenpassagen verblassten dagegen. STEREO war McNaught auf der allerersten(!) Aufnahme des Heliospheric Imagers des B-Satelliten ins Bildfeld geraten, und aus den Daten lässt sich eine Menge herausholen.

Bildersammlungen des Kometenspektakels – zusätzlich zu den in der letzten Ausgabe erwähnten – gibt es z.B. von der Südhalbkugel aus Australien von McNaught himself (zugleich einige der besten Bilder überhaupt), Garradd (dito!), Godward, Tabur, Lovejoy und der ASSA sowie in einem illustrierten Blog, aus Südafrika, Chile, Uruguay und Argentinien, von den nördlichen Tagen von Boeckel (man beachte insbesondere den Film vom 9.!), Gährken, Champier, Wagner, der Stw. Sursee, Schulz und Beck und allgemein bei SkyTonight, Perihelio und Rastreadores. Ausgewählt schöne und/oder erstaunliche Einzelbilder stammen vom 20. Januar mit Schweifenden aus Österreich, Deutschland (dito), England und den Niederlanden und dem ganzen Kometen (dito, dito, dito, dito), vom 19. Januar mit Schweifenden aus den USA (dito, dito, dito), Slowenien und Italien und dem fast ganzen Kometen, vom 18. (dito, dito, dito), 17. (dito, dito), 16. (dito) und 15. Januar (dito), vom Taghimmel des 14. Januar (dito, dito, dito), vom 13. Januar kurz nach Sonnenuntergang (dito, dito, dito, dito, dito, dito, dito, dito), bei Sonnenuntergang (dito, dito, dito, dito, dito) und am Tage (dito, dito, dito, dito) und vom 12. (dito, dito, dito, dito, dito, dito, dito, dito), 11. (dito, dito, dito) und 10. Januar (dito, dito, dito, dito, dito, dito).

Zeichnungen des Kometen liegen vom 14. Januar am Taghimmel und 13. Januar bei Sonnenuntergang und am Taghimmel vor, es gibt absolute Photometrie am Taghimmel (die das Überschreiten von Venushelligkeit bestätigt) und lesenswerte visuelle Beobachtungsberichte vom 20. (dito, dito, dito, dito, dito, dito), 19. (dito, dito, dito), 18. (dito) und 17. Januar, dem 16. Januar am Abend (dito, dito) und am Tage, dem 15. Januar am Abend und am Tage (dito), dem 14. Januar in der Dämmerung (dito), bei Sonnenuntergang und bei Tage (dito, dito, dito, dito, dito, dito, dito), dem 14. und 13. Januar mit zahlreichen Berichten (sowie einem Vergleich 15. gegen 13.), dem 13. Januar nach Sonnenuntergang (dito, dito), bei Sonnenuntergang (dito, dito, dito, dito) und am Tage (dito, dito, dito, dito, dito, dito, dito, dito), dem 12. Januar nach Sonnenuntergang aus einem Flugzeug, bei Sonnenuntergang und am Tage (dito, dito, dito) und dem 11. Januar – letzteres ist die früheste bekannt gewordene Taghimmelsichtung ohne optische Hilfsmittel. Die Lichtkurve bis zum Perihel ist zu guter Letzt doch erstaunlich einheitlich und ohne Knicke geblieben, mit einem n von 6,8 (und Anzeichen des vorausgesagten Lichtstreueffekts am Komastaub): Es geht also doch, dass Kometen bis in Sonnennähe immer weiter kräftig ihre Aktivität steigern.

Zumindest seit er der Südhalbkugel heimleuchtet, wird C/2006 P1 (McNaught) weithin als »Große;r Komet« betrachtet, wobei die Definition dieses Begriffes (mit große;m »G«) aber unklar ist. Vor der Süd-Show hatten u.a. K. Horn und H. Lüthen für und D. Herald und C. Sherrod gegen die Einordnung McNaughts in diese Kategorie argumentiert. So oder so hatte der Komet ein gravierendes Kommunikationsproblem mit der breiteren Öffentlichkeit: Wegen der permanenten Horizontnähe und genereller Bedenken – die sich nun als haltlos erwiesen haben – hatten die namhaften Kometenexperten noch bis in den Januar hinein geschwiegen, und nicht nur die Massenmedien sondern auch sämtliche massgeblichen Weltraumportale hierzulande und anderswo taten dasselbe. Just als der Komet(enkopf) vom Nordhimmel verschwand, kamen einige wenige Artikel mit längst überholten Beobachtungstipps. Wenigstens die Australier waren rechtzeitig gewarnt, dass da etwas auf sie zukommen würde, während man in Europa – als Noch-Nichtabonnent dieses Newsletters jedenfalls – durch Zufall auf die entscheidenden Informationen stossen musste. Dann allerdings konnte auch schon mal der Dichter im Beobachter erwachen …

Daniel Fischer

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