Nachrufe waren verfrüht: Zwar setzt sich der bemerkenswerte Zerfall des Fragments B von Komet 73P/Schwassmann-Wachmann munter fort – aber dabei ist es nicht etwa verblasst, sondern erlebt stattdessen just zur Erdnähe einen verblüffenden Helligkeitsausbruch! Nach einem moderaten Ausbruch Anfang Mai war B zunächst wieder diffuser und schwächer geworden, aber am Morgen des 8. Mai wurden die Beobachter erneut durch eine ausgeprägte fast stellare Kondensation überrascht, die es Tags zuvor nicht gegeben hatte: Viel frischer Staub war von dem Kernchen freigesetzt worden. Mit hoher Vergrösserung liess sich an den folgenden Tagen ein sich ständig wandelndes Bild verfolgen: Erst definierte Staubjets in mehrere Richungen, dann die Ausbildung einer betont fächerförmigen Koma, während der Ausbruch selbst zunächst vorbei ist. Die Bilder links zeigen die Koma am 5., 8. und 9. Mai, wie sie Horace Smith mit dem 24-Zöller der Michigan State University einfing, rechts die Jets am 8. Mai heftig kontrastgesteigert (von Carl Hergenrother nebst einigen Subfragmenten mit einem 1,2-m-Spiegel erwischt). Die neue aufregende Koma-Form enthüllt sich auch kleinen Fernrohren und war z.B. heute morgen bestens in einem Comet Catcher zu sehen, beeindruckender als es C je war; hohe Vergrösserungen helfen gegen das inzwischen unvermeidliche Mondlicht.
Ständig Wandelndes BildDieses konnte gerade noch vermieden werden, als das damals noch dominierende Fragment C in der Nacht vom 7. zum 8. Mai dicht am Ringnebel vorbei lief: Hier hat Martin Wagner Aufnahmen aus 1½ Stunden (2:33 bis 4:02 MESZ) zu einem Bild zusammengesetzt. Leider fiel die eigentliche Passage in Deutschland bereits der Morgendämmerung zum Opfer, doch die rasante Annäherung des Kometen an den Planetarischen Nebel war ein spannendes Schauspiel, v.a. im letzten dunklen Intervall zwischen Monduntergang und Astronomischer Dämmerung. Weiter westlich in Spanien fiel die grösste Annäherung genau in dieses Intervall, und an der amerikanischen Ostküste war der Vorübergang am monderhellten Himmel komplett zu sehen, wie schöne Videoclips aus New York und Florida dokumentieren. Überhaupt helfen digitale Standbild- wie (integrierende) Videokameras enorm gegen die Mondaufhellung des Himmels, wie sie nun die letzten Tage der Sichtbarkeit von 73P am deutschen Himmel begleitet. Der Mond sabotiert auch alle Versuche, präzise die gesamte Helligkeit der Komae der Fragmente in Erdnähe zu bestimmen: Ihre Staub- und Gashüllen sind nun – eigentlich – sehr groß geworden und müssten mit sehr kleinen Feldstechern oder besser noch dem blossen Auge beobachtet werden, um sie mit (unscharf gestellten) Sternen zu vergleichen.
Sichtungen von erst C und dann v.a. B mit dem blossen Auge gibt es seit Ende April tatsächlich, doch meist gelingen sie nicht. Und jeder Einsatz eines Teleskops und v.a. von hoher Vergrösserung, wie sie gegen die Mondaufhellung des Himmels hilft, führt unweigerlich zu einer Unterschätzung der Gesamthelligkeit der Koma um bis zu mehreren Größenklassen, weil ihre Aussenbereiche nicht erkannt werden – ein fundamentales Problem der Kometenbeobachtung. Sicher sagen lässt sich nur, dass C Anfang Mai 6. und B nach seinem jüngsten Ausbruch 5. Größe erreichte, wobei C in den letzten Tagen regelrecht abgebaut zu haben scheint. Im polnischen Krakow wurde B z.B. in der Nacht zum 11.5. bei sehr transparentem Himmel mit dem blossen Auge auf 5,3m geschätzt. Die spannende Entwicklung der Kometenfragmente ist auch weiteren visuellen Berichten vom 11., 10. und 8. Mai, zahllosen Fotos vom 11. Mai (B und C), 10. Mai (Bs (Koma und Innenleben), 9. Mai (Bs mittel, länger und lang belichtete Koma und ihr Innenleben), 8. Mai (B bei M 57, dito, dito, dito, dito, dito, B im Detail und verarbeitet), 7. Mai (B Helligkeitsmuster, Übersicht, Detail), 6. Mai (B-Struktur, diverse Fragmente) und
5. Mai (Bs Fragmente und Koma) und einer Animationen von B über viele Wochen hinweg zu entnehmen. Das Bildmosaik rechts vom NASA-IR-Satelliten Spitzer zeigt den Kometen indes, wie ihn sonst niemand sieht: Bei 24 µm Wellenlänge waren die Staubschweife der Fragmente C und B bereits am 1. April immens gewesen – und die neuen Aufnahmen von Anfang Mai zeigen bereits zahlreiche Fragmente und zwischen ihnen ein durchgehendes Staubband, das ihre Zusammengehörigkeit untermauert. Und zu neuerlichen Spekulationen über mögliche Meteorstürme in kommenden Jahrzehnten Anlass gibt.
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