Quer über den Roten Planeten sind vor allem an steilen Kraterwänden, in ihren Ausmaßen teils überraschend weiträumig, eingeschnittene Netzwerke von Kanälen mit ihnen zugeordneten Sedimentablagerungen zu erkennen. Erstmalig beschrieben wurden die Abflussrinnen auf Bildern der NASA-Sonde „Mars Global Surveyor“ und seither ist ihre Entstehungsgeschichte Gegenstand anhaltender Debatten. Als gesichert gilt derzeit nur eines: Die Fließrinnen zählen zu den jüngsten Oberflächenmerkmalen des Mars, denn es gibt keine weiteren Strukturen, die sie überlagern.
Spekulativ ist alles Weitere darüber hinaus, insbesondere im Hinblick auf den Mechanismus, der die Fließstrukturen schuf. Ein lange Zeit als plausibel betrachteter Erklärungsansatz bestand darin, dass die Rinnen durch Salzwasser entstehen, welches im Mars-Sommer flüssig wird und an der Oberfläche austritt. Die dazugehörige Veröffentlichung wurde zwischenzeitlich zwei Mal online korrigiert und kein viertel Jahr später von einer Alternativhypothese in der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt: Die Rinnen könnten von Trockeneis aus gefrorenem Kohlendioxid gebildet worden sein. Das würde sich in Platten auf dem Boden anlagern, bei höheren Temperaturen direkt gasförmig werden und auf diese Weise den sandigen Untergrund in Bewegung versetzen.
Und da sowohl auf der Erde, als auch auf dem Mars alle guten Dinge drei zu sein scheinen, wetteifert jüngst ein drittes Modell um die Gunst des geneigten Publikums. Der große Vorteil der dritten gegenüber den beiden Vorgängertheorien ist, dass sie als bisher einzige auch experimentell getestet wurde, wenn auch nur auf der Erde in sogenannten Marskammern. In ihnen wird die Atmosphäre des Roten Planeten simuliert, also ähnlich tiefe Temperaturen und ähnlich geringer Druck.
In dem Experiment wurde das Verhalten eines auftauenden Eiswürfels unter verschiedenen Bedingungen und die daraus resultierenden Auswirkungen auf Struktur bzw. Ausprägung der Fließstrukturen auf dem darunter liegenden Sand beobachtet. Dabei zeigte sich, dass flüssiges Salzwasser kaum Rinnen hinterlässt. Viel wahrscheinlicher dürfte sein, dass unter dem geringen Druck auf der Marsoberfläche das Wasser fast direkt vom festen in einen gasförmigen Zustand übergeht. Dabei „kocht“ es bei ungewöhnlich tiefen Temperaturen, und durch das Sprudeln werden die Sandkörner nach oben geschleudert, bilden kleine Hügel, die wie Minilawinen nach unten abgehen, was letztlich für die Rinnen in den Abhängen sorgt.
Es scheint also nicht die Stabilität von flüssigem Wasser zu sein, die die Rinnen entstehen lässt, sondern im Gegenteil seine Instabilität auf der Marsoberfläche.
Lars-C. Depka
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