Faule »Eier« im Adler-Nebel?

Adler-Nebel

Wohl kein Deep-Sky-Objekt ist in der breiten Öffentlichkeit so populär wie die »Pfeiler der Schöpfung«, ein ungewöhnlich suggestives Hubble-Bild von 1995, das den Innenbereich des Adlernebels (IC 4703) zeigt. Neben den drei markanten Gas- und Staubsäulen, an denen die harte Strahlung junger Sterne nagt, entdeckten Hester et al. (Astron. J. 111 [1996] 2349-60) auf dem WFPC2-Bild auch 73 kleine kometare Globulen, die sie »evaporating gaseous globules« oder EGGs tauften – und mit dem Akroynm nahelegten, dass aus diesen »Eiern« eines Tages neue Sterne schlüpfen würden. Mehrere Großteleskope auf der Erde und Weltraumteleskope haben sich in den letzten 10 Jahren der EGGs in verschiedenen Wellenlängen angenommen: So fanden McCaughrean & Andersen (A&A 389 [2002] 513-8) im nahen Infraroten, dass »die meisten EGGs leer zu sein scheinen,« aber doch mindestens 15% von ihnen Hinweise auf junge Sterne geringer Masse oder Braune Zwerge zeigen. Bei 11 EGGs waren die IR-Gegenstücke eindeutig, in weiteren 5 unklar.

Linsky et al. (Ap. J. 654 [2007] 347-60) haben bereits 2001 mit dem Röntgensatelliten Chandra ganz tief in den Adlernebel hineingeschaut: Die 78 000 Sekunden lang belichtete Aufnahme zeigt laut der nun vorliegenden Analyse 1101 einzelne Röntgenquellen in einem 17×17 Bogenminuten großen Feld. Die meisten der Quellen entpuppen sich als Sterne des 1 bis 6 Mio. Jahre jungen Sternhaufens NGC 6611 alias M 16. Eine Handvoll Röntgenquellen ist deckungsgleich mit tief in die Molekülwolken der »Pfeiler« eingebetteten jungen stellaren Objekten, an deren Stellen auch Infrarotquellen gefunden wurden; die Entstehung dieser noch jüngeren Sterne ist wohl durch die Photoevaporation und -erosion der Pfeiler ausgelöst worden. Aber von den 40 Röntgenquellen im Herzen des Adlernebels ist nicht eine einzige mit einem EGG assoziiert, und insbesondere bleiben die 11 EGGs mit IR-Quellen ohne Röntgen-Gegenstück. In sieben Fällen wäre das auch nicht zu erwarten gewesen, da ihre Massen substellar sind (0,02-0,07 Sonnenmassen) und sie für Chandra in jedem Fall zu schwach strahlen sollten. Aber auch die anderen vier mit 0,35 bis 1 Sonnenmassen sind röntgenfinster, obwohl das Röntgenteleskop normale T-Tauri- Sterne klar hätte sehen können. Das kann zweierlei bedeuten: Entweder sitzen in den EGGs keine Protosterne. Oder aber derart junge Protosterne, dass sie noch keine Röntgenemitter geworden sind: Vielleicht fehlt es ihnen noch an organisierten Magnetfeldern.

Daniel Fischer

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