Es ist eines der kühnsten Experimente der beobachtenden Astronomie, wie es nur im Radiobereich möglich ist: Teleskope auf der ganzen Welt arbeiten vom 4. bis 14. April zusammen, um mutmaßliche Schwarze Löcher im Zentrum der Milchstraße und der Galaxie M 87 mit derartiger Schärfe aufzunehmen, dass ihr Schatten räumlich aufgelöst wird. Und sich zugleich dramatische Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie bemerkbar machen.
Es war um den Jahreswechsel 1999/2000, als der deutsche Radioastronom Heino Falcke und Kollegen eine bemerkenswerte Vorhersage machten: Sie hatten – in den damaligen Worten des MPI für Radioastronomie – berechnet, „wie die Weiterentwicklung bereits vorhandener astronomischer Beobachtungsmethoden es Astronomen bald erlauben könnte, die verworrenen Wege von Photonen zu verfolgen, die nur um Haaresbreite den Fängen eines Schwarzen Lochs entkommen sind.“ Die entscheidende Entdeckung war, dass der ‚Schatten‘ des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße vor umgebendem strahlendem Gas durch die Lichtablenkung in seinem eigenen extremen Schwerefeld deutlich vergrößert wird, wenn auch nur auf etwa 50 Mikrobogensekunden. Und dass kommende Fortschritte in der Radiointerferometrie in absehbarer Zeit gleichwohl in der Lage sein sollten, davon tatsächlich ein echtes Bild zu machen: Dabei werden die von Teleskopen auf der ganzen Welt empfangene Radiostrahlung wellengenau aufgezeichnet und die Daten am Ende zentral zusammengeführt, wobei ein Teleskop fast von der Größe der Erde synthetisiert wird.
Die technischen und natürlichen Hürden waren enorm: Beobachtet werden muss bei kurzen Wellenlängen, deren Ausbreitung sowohl von Gas in der Nähe des Milchstraßenzentrums wie von irdischem Wetter gestört wird, und während der wochenlangen Messungen kann sich die Umgebung des Schwarzen Lochs auch noch deutlich verändern – einfaches Addieren aller Daten reicht nicht.
Doch nun sind die Technik weit genug und die Theorie der Datenanalyse hinreichend verstanden, dass es die Radioastronomen der Welt tatsächlich wagen: „Event Horizon Telescope“ (EHT) heißt das Projekt, benannt nach jenem ‚Ereignishorizont‘ Schwarzer Löcher, hinter dem alles spurlos verschwindet und der Schwerkraft nicht mehr entkommen kann. Das Primärziel der koordinierten Beobachtungen bei 1,3 mm Wellenlänge ist Sgr A* („Sagittarius A Stern“) im Zentrum der Milchstraße, wo etwa 4,5 Millionen Sonnenmassen auf kleinstem Raum vereinigt sind: Zu einem Supermassereichen Schwarzen Loch – von einer eher ruhigen Sorte – gibt es kaum eine Alternative. Aber auch das Zentrum der Galaxie Messier 87 wird angepeilt, wo ein noch viel größeres Schwarzes Loch auflösbar sein könnte, und mehrere andere Galaxien stehen für Vergleiche auf dem Programm.Neben am Limit arbeitender Messtechnik ist auch gutes Wetter an den Teleskopstandorten für den Erfolg entscheidend – und mit fertigen, von Störungen weitestmöglich bereinigten Bildern sollte nicht vor Ende des Jahres oder Anfang 2018 gerechnet werden. Im Prinzip sollte der Anblick ähnlich sein wie bei dem wissenschaftlich weitgehend akkurat modellierten (und Oscar-prämierten) Schwarzen Loch in dem Spielfilm ‚Interstellar‘, wenn auch natürlich bei weitem nicht so deutlich. Und es ist auch umstritten, ob die Qualität der EHT-Bilder der ersten Kampagne jetzt schon ausreichen wird, um eindeutig die Anwesenheit Schwarzer Löcher nachzuweisen und alle verbliebenen Alternativen auszuschließen. Aber es wäre ein erster ganz großer Schritt.
Links:
Homepage des EHT: http://www.eventhorizontelescope.org
Paper zur Theorie: http://arxiv.org/abs/1606.08879
Paper zu erhofften Bildern: https://arxiv.org/abs/1512.08543
Pressemitteilung von 2017: https://www.mpg.de/11196985/event-horizon-telescope
Pressemitteilung von 2000: http://www3.mpifr-bonn.mpg.de/staff/junkes/pr/pr1_dt.html
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