Die starken Worte in der Einladung zur Pressekonferenz einer amerikanischen Privatorganisation, die Geld für ein eigenes Weltraumteleskop zur Asteroidensuche sammelt, haben die echte oder vermeintliche Bedrohung der Erde durch Kleinplaneten auf nahen Bahnen (Near Earth Objects) wieder auf die Tagesordnung gebracht. Sie ist Anlass für eine Bestandsaufnahme des tatsächlichen Wissensstandes, den diese Veranstaltung leider nicht lieferte – dafür aber drei Wochen vorher der Altmeister der Asteroiden-Statistik, Alan Harris, in einem Online-Seminar der NASA. Im Gegensatz zu der bedrohlichen Behauptung der B612 Foundation, dass es »3- bis 10-mal mehr Einschläge als bisher gedacht« gäbe, liegen ihre Zahlen und die der Fachwelt praktisch übereinander – nur in der Interpretation trennen sie Welten.
Die Größen-Häufigkeits-Beziehung der erdnahen Kleinplaneten ist im Wesentlichen ein Potenzgesetz, allerdings mit weniger Kleinplaneten um 100 Meter Durchmesser. Dieses Defizit ist im letzten Jahrzehnt immer deutlicher geworden, wobei es bereits mehrere vorgeschlagene Erklärungen dafür gibt, warum Körper gerade dieses Größenbereichs nicht so stabil sind wie größere oder kleinere.
Etwa in diesem Größenbereich wird allerdings auch die Statistik aus den direkten Entdeckungen unsicher: Nur noch ein kleiner Anteil der vorhandenen Körper ist schon gefunden, und die Hochrechnung auf die Gesamtpopulation ist nur noch auf vielleicht einen Faktor 3 genau. Bei noch kleineren Körpern unter 20 Metern Durchmesser steigt die Zuverlässigkeit dagegen wieder, denn nun stammen die Zahlen von Luftexplosionen tatsächlich in die Erdatmosphäre eingedrungener Mini-Asteroiden, deren Infraschall von einem weltweiten Netz aus Mikrobarometern registriert wird.
Das von B612 präsentierte Video zeigt jene 26 derartigen Airbursts seit 2001, die zwischen einer und 500 Kilotonnen TNT Explosionsenergie besaßen (wobei letzteres die statistisch aus dem Rahmen fallende Explosion über Tscheljabinsk ist). Zu erkennen ist gut, dass die Eintrittspunkte völlig zufällig verteilt sind und meist Wasser oder Wüsten treffen. In der Tat ist nur etwa ein Hundertstel der 500 Mio. km² großen Erdoberfläche besiedelt: Zwar zeigt die Statistik, dass es im Schnitt etwa alle 100 Jahre zu einem Einschlag kommt, der eine Stadt zerstören könnte – aber nur durchschnittlich höchstens alle 10000 Jahre ist dies auch der Fall. Das maximale mathematische Restrisiko bleibt damit eindeutig bei den nur ein wenige Male pro Jahrmillion zu erwartenden und noch lange nicht vollständig katalogisierten Asteroiden mit mehreren hundert Kilometern Durchmesser, deren Einschläge dafür aber große Bereiche der Erde gefährden.
Daniel Fischer
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