Das Frühjahr ist weit fortgeschritten, die Tage sind immer länger geworden. Nun beginnt von Norddeutschland her die Zeit, in der es nachts überhaupt nicht mehr vollständig dunkel wird. Die sommerliche Mitternachtsdämmerung wandert jeden Tag ein Stück nach Süden.
Um das Phänomen zu verstehen, muss man das Thema Dämmerung betrachten. Die Dämmerung entsteht durch gestreutes Sonnenlicht in der Atmosphäre, das den Himmel erhellt nachdem die Sonne untergegangen ist bzw. bevor sie aufgeht. Wie viel Licht den Himmel dabei erreicht, ist von der Tiefe der Sonne unter dem Horizont abhängig. Die Dämmerung verläuft kontinuierlich, wird aber in drei Phasen unterteilt. Mit dem Sonnenuntergang beginnt die Bürgerliche Dämmerung. Es ist noch recht hell. Diese Dämmerungsphase endet, wenn der Sonnenmittelpunkt 6° unter dem Horizont steht. Dann sind helle Planeten und die hellsten Sterne bereits am Himmel sichtbar. Es folgt die Nautische Dämmerung, in der die Sonne zwischen 6° und 12° unter dem Horizont ihre Bahn zieht und an deren Ende bereits Sternbilder erkennbar sind. Aber richtig dunkel ist es dann noch nicht. Die Astronomische Dämmerung endet erst, wenn die Sonne 18° unter den Horizont getaucht ist. Vor Sonnenaufgang ist die Reihenfolge der drei Dämmerungsphasen natürlich umgekehrt.
Was passiert nun, wenn die Sonne die Tiefe von 18° unter dem Horizont nicht erreicht? Dann endet die Astronomische Dämmerung nicht, Abend- und Morgendämmerung gehen ineinander über. In der kommenden Nacht auf den 13. Mai hat die Sonne in Hamburg ihren tiefsten Stand mit eben jenen ominösen 18° unter dem Nordhorizont um 1:16 Uhr MESZ. Die Sonne hat dann eine Deklination (das ist der Breitengrad am Sternhimmel) von +18,3°. Für alle Orte, die höchstens 18,3° vom geografischen Nordpol der Erde entfernt liegen, geht sie gar nicht mehr unter. Auf allen Orten, die 18,3° plus 18°, also 36,3° vom Pol entfernt sind (also etwa Hamburg, das auf 53,5° nördlicher Breite liegt) »schrammt« die Sonne nur noch kurz die 18° Tiefe, schon einen Tag später bleibt sie oberhalb dieser Marke. Eine Woche später steht die Sonne bei plus 20° Deklination, d.h. die Zeit der Mitternachtsdämmerung beginnt für Orte auf 52° Nord, z.B. für Münster oder Bielefeld. Köln ist am 26. Mai dran, Frankfurt am Main am 31.5. Die Sonne wandert noch bis zum 21.6., dem Tag der Sommersonnenwende, nordwärts und mit ihr die Mitternachtsdämmerung nach Süden. Doch kurz hinter Baden-Baden ist Schluss: Südlich von 48,5° nördlicher Breite wird es – wenn im Sommer auch nur kurz – richtig dunkel. Wer hingegen nahe der deutsch-dänischen Grenze wohnt, z.B. in Flensburg, kann in den Tagen um die Sommersonnenwende erleben, dass sogar die Nautische Dämmerung nicht endet.
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