Eine Supernova gehört in eine Galaxie, sollte man meinen – doch in den Katalogen eindeutiger extragalaktischer Sternexplosion gibt es rund 100 Exemplare, für die einfach keine »Gastgeber-Galaxie« identifiziert werden konnte. Und das betrifft nicht nur Supernovae des Typs Ia, die in sehr alten Sternsystemen stattfinden, die im Laufe von Jahrmilliarden langsam aus ihren Galaxien gedriftet sein können: Auch Kernkollaps-Supernovae, die nur massereichen und damit kurzlebigen Sternen widerfahren, können heimatlos sein. Bochumer Astronomen haben nun mit der systematischen Erforschung dieser Exoten begonnen: Fand die Explosion vielleicht in einer Galaxie extrem geringer Flächenhelligkeit (Low Surface Brightness, LSB) statt, die bisher einfach übersehen wurde? Oder lassen sich am Ort der Sternexplosion irgendwelche Anzeichen von Sternentstehung finden? Lassen sich beide Fragen klar verneinen, wird es spannend: Dann könnte es sich bei dem explodierten Stern um einen »Hypervelocity Star« (Hochgeschwindigkeits-Stern) gehandelt haben, der mit mehreren 100km/s aus seiner Ursprungsgalaxie hinausgeworfen wurde, als er einem Supermassiven Schwarzen Loch in deren Zentrum zu nahe kam, und so trotz geringen Alters tief im intergalaktischen Raum explodierte. Etwa 30 Hochgeschwindigkeits-Sterne sind in oder nahe der Milchstraße schon gefunden worden: Selten ist das Phänomen eigentlich nicht.
Zur Suche nach Galaxien extrem geringer Flächenhelligkeit an den Örtern der mutmaßlich heimatlosen Supernovae wurden tiefe Breitband-Aufnahmen mit dem 2,2m-Teleskop auf dem Calar Alto und dem Fokalreduktor CAFOS angefertigt, die 27 Größenklassen pro Quadratbogensekunde erreichen, Spuren von Sternentstehung sollte der Ultraviolett-Satellit GALEX verraten – und in bisher genau einem Fall konnte beides mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden: der SN 2006bx, die in Projektion 87000Lj von der Galaxie UGC 5434 entfernt ist. Wenn der explodierte Stern – der mit mindestens 8 Sonnenmassen höchstens 30 Mio. Jahre leben konnte – aus dieser Galaxie herausgelaufen ist, dann war er mindestens 900km/s schnell. Ein plausibler Wert, zumal in dieser Galaxie ein Supermassives Schwarzes Loch mit 700000 Sonnenmassen vermutet wird: Eine enge Passage des Vorgängersterns daran vorbei könnte ihn auf Touren gebracht haben. Das Bochumer Projekt hat gerade erst begonnen – und Amateur-Astrofotografen, die sich mit tiefen Himmelsaufnahmen auskennen, fordert der erste Autor explitit auf, sich an die Arbeitsgruppe zu wenden: Es muss nicht immer ein 2,2m-Teleskop sein, um den Test auf Anwesenheit einer Galaxie extrem geringer Flächenhelligkeit zu machen.
Daniel Fischer
www.arxiv.org/abs/1109.4717 |
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