Weihnachtliches Himmelsfeuerwerk

Eintritt der Sojus-Oberstufe über Deutschland, aufgenommen in Erfurt: Noch sorgt ein Hauptteil für das meiste Licht, aber Splitter haben sich bereits abgetrennt. [Marko Weber]
Spätere Phase des Sojus-Wiedereintritts, aufgenommen in der Nähe von München: Der Zerfall der Oberstufe in zahlreiche Fragmente hat eingesetzt; der Anblick erinnerte den Fotografen an Bilder der auseinanderbrechenden Raumfähre Columbia. [Roman Breisch]
Spätere Phase des Sojus-Wiedereintritts, aufgenommen in der Nähe von München: Der Zerfall der Oberstufe in zahlreiche Fragmente hat eingesetzt; der Anblick erinnerte den Fotografen an Bilder der auseinanderbrechenden Raumfähre Columbia. [Roman Breisch]
Als am 24. Dezember 2011 um 17:26 MEZ ein heller Feuerball langsam über Mitteleuropa – mehrere deutsche Bundesländer inklusive – zog, zunächst als kompakte Kugel mit nachleuchtender Spur, dann mehr und mehr Teile verlierend und schließlich in einem Schauer aus Glut untergehend, wussten einige der zahlreichen Beobachter augenblicklich, was das gewesen war: jener Teil der Amateurastronomen nämlich, der sich mit der Verfolgung künstlicher Satelliten beschäftigt und aktuelle Starts und Bahnentwicklungen im Auge behält. Drei Tage zuvor war in Baikonur eine Sojus-Rakete mit drei Kosmo- und Astronauten zur Internationalen Raumstation gestartet, und die Oberstufe dieser Rakete hält sich nach dem Abtrennen der Kapsel typischerweise 3 bis 4 Tage in einer niedrigen Erdumlaufbahn. Unaufhaltsam treibt sie die Reibung an der Restatmosphäre in Richtung Boden, und wenn sie auf 120km abgesunken ist, geht alles ganz schnell. Wer sich mit Satelliten beschäftigt, hat – auch als Ausländer und Zivilist – die Möglichkeit, sich bei der amerikanischen militärischen Weltraumüberwachung USSTRATCOM anzumelden, die nach wie vor als einzige mit Netzen von Radaranlagen die Bahnen künstlicher Satelliten relativ komplett im Blick hat: Der Zugriff auf aktuelle Bahnelemente und auch Vorhersagen von Wiedereintritten ist dannfrei.

Die letzte USSTRATCOM-Prognose für den Absturz der Sojus-Oberstufe war von 15:18 MEZ gewesen und hatte 17:37 MEZ ±3 Stunden gelautet: Wegen Unwägbarkeiten der atmosphärischen Dichteschichtung, der Orientierung unkontrollierter Weltraumkörper und deren extrem flachen Eintrittswinkels geht es schlicht nicht besser. Aber die Bahn des zerberstenden »Weihnachtssterns« am Himmel, wie auch viele Details der Erscheinung (insbesondere die sehr langsame Winkelbewegung) ließen nie einen Zweifel, dass dies die wiederkehrende Sojus-Stufe gewesen war. Und tatsächlich lieferte USSTRATCOM gegen 20:00 MEZ die abschließende Berechnung des wahrscheinlichen Absturzortes und -zeitpunktes aufgrund der letzten Radarkontakte, die mit 49°N 7°O und 17:25 MEZ ±1 Minute perfekt zu den Beobachtungen passte. All dies war in einschlägigen – und frei zugänglichen – Internetdiensten der Amateurastronomie binnen Stunden zu finden, nicht jedoch in den deutschen elektronischen Medien, die es unisono die nächsten 24 Stunden geradezu auskosteten, keinen Schimmer zu haben, was da »Geheimnisvolles« geleuchtet hatte. Eine derartige Peinlichkeit – die auch gewisse überrumpelte Behörden einschloss – künftig zu vermeiden, wird noch einige organisatorische Anstrengung erfordern.

Daniel Fischer

Fragen und Antworten:
sattrackcam.blogspot.com/2011/12/11-078b-soyuz-3rd-stage-reentry-answers.html
Video der frühen Phase:
www.youtube.com/watch?v=Nn6JGUh5Guw
Detailreichstes Video:
www.youtube.com/watch?v=N4JRiHP1YVU

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