Für den Amateursonnenbeobachter ändert sich nichts, für die Vergleichszahlenreihe SILSO »Sunspot Index and Long-term Solar Observations« des »Sunspot Index Data Center, S.I.D.C.«, mit dem seine Beobachtungen verglichen und bewertet werden, ist es aber ein bedeutsamer Einschnitt: Die seit 400 Jahren gültige Definition der internationalen Sonnenfleckenzahlen wurde überarbeitet und neu definiert.
Der Erfinder der Sonnenfleckenrelativzahl Rudolf Wolf (1816–1893) hatte bei deren Einführung 1849 einen Faktor von 0,6 verwendet, mit dem jede Zahl erst einmal »korrigiert« wurde, um Einflüsse verschiedenster Art auszuschließen. Dieser Standard galt fortan für die nach und nach aufgenommenen historischen Relativzahlen.
Seit 2011 hatten weltweit 40 Experten unter der Leitung des amerikanischen National Solar Observatory / Sacramento Peak Observatory an einer Reform gearbeitet, weil die historische Zahlenreihe zeitweise seltsame Inhomogenität aufwies. Zuvor hatte es erste Überlegungen für eine Neudefinition der Fleckengruppenzahlen gegeben. Erst das lange und tiefe Minimum 2008 machte allen Auswertern derart viele Probleme, dass über neue Definitionen beraten werden musste. Die über einen langen Zeitraum hinweg extrem niedrigen Relativzahlen hatten keine vernünftigen Ergebnisse mehr gebracht und erst recht keine einheitlichen Vorhersagen. So kam man darauf, bei der vom S.I.D.C. gepflegten Standardreihe den bisherigen K-Faktor wegzulassen, nachdem man herausgefunden hatte, dass ein Vergleich der Beobachtungen mit denen ohne Korrekturfaktor eine wesentlich bessere Beschreibung der tatsächlichen Entwicklung der Sonnenaktivität ergaben. Neben einer ganzen Reihe von weiteren Verbesserungen wurde der für die Beobachtungen des S.I.D.C. übliche K-Faktor von 0,6 ab dem 1. Juli 2015 einfach weggelassen, auch weil er aufgrund moderner Instrumente und Techniken überflüssig geworden ist. Um nun wieder zu einer einheitlichen und gleichmäßigen Zahlenreihe zu kommen, wurden alle dem S.I.D.C. vorliegenden – auch historischen – Datensätze sowie die damit verbundenen Auswertungen neu berechnet.
In der Folge ergeben sich daraus zunächst einmal höhere Relativzahlen, mit denen man aber hofft, nach der kompletten Fehlprognose zum laufenden Fleckenzyklus, künftig realistischere und langfristig gültige Aussagen über die Entwicklung der Sonnenaktivität treffen und gleichzeitig historische Datensätze nachträglich verbessern und für künftige Prognosen nutzen zu können. Man hatte nämlich auf der Basis der alten Zahlen nach dem Minimum 2008 ein deutlich höheres Maximum für den 24., als für den 23. Fleckenzyklus vorhergesagt. Herausgekommen ist aber im April 2014 in Wirklichkeit der schwächste seit über 100 Jahren. Es verbleibt noch viel Arbeit für die Sonnenforscher, wollen sie verstehen, wie unser Tagesgestirn funktioniert.
Manfred Holl
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