Den „Verlust der Nacht“ nur zu beklagen, ist nicht genug, um über nachhaltige Maßnahmen gegen das Übel der Lichtverschmutzung nach zu denken, das längst nicht nur Astronomen ärgert sondern ernste medizinische und ökologische Folgen haben kann: Konkrete Zahlen brauchen Forscher wie Aktivisten. Die gibt es nun immer zuverlässiger: Von Satelliten und der Internationalen Raumstation aus werden Trends der Helligkeit der Erde präzise und sauber erfasst – und es es stehen preiswerte Methoden zur Verfügung, um objektiv die Lichtsituation am Boden zu erfassen.
Die ganze Erde bei Nacht im Blick, mit 750 Metern Auflösung, hat eine spezielle Kamera auf dem amerikanischen Wettersatelliten NPP Suomi: Seit 2012 dokumentiert sie Trends in der Lichtabstrahlung aller Länder. Ein sorgfältiger Vergleich der Entwicklung von Oktober 2012 bis Oktober 2016 ist heute vorgelegt worden: Insgesamt ist die Erde jedes Jahr im Schnitt um 1,8 Prozent heller und die leuchtende Fläche um 2,2% größer geworden, 79 Länder wurden deutlich bis erheblich heller (oftmals welche, die anfangs noch sehr finster waren), 39 blieben inetwa stabil (darunter viele Industrienationen), und nur 16 wurden dunkler (zumeist Kriegsgebiete; Grafik oben).
Die Zahlen gelten freilich nur für den eher roten Spektralbereich von 500 bis 900 nm, für den die Satellitenkamera empfindlich ist: Die noch stärkere Zunahme des – für das nicht nur menschliche Auge wichtigeren – blauen Lichts durch den steigenden Einsatz von LED-Leuchten (Bild unten) wird nicht erfasst. Sie benötigen weniger Energie, was den Anreiz für Einsparungen verringert: Die globale Lichtzunahme entspricht dem Anstieg des weltweiten Bruttosozialprodukts im selben Zeitraum. Offenbar besteht in den Ökonomien der Welt durch die Bank ein noch ungestillter – gefühlter und keineswegs immer objektiv gegebener! – „Bedarf“ nach immer noch mehr Licht im Freien.
Der Trend der leuchtenden Erde kann auch in Zukunft weiter verfolgt werden: Just am 18. November ist auf dem Satelliten JPSS-1 eine identische Kamera gestartet worden, die eine Weile parallel mit dem Instrument auf NPP Suomi messen wird. Und für 2022 ist ein weiterer Klon geplant – das Problem mit der fehlenden Farbinformation bleibt also: Es kann leicht passieren, dass eine Stadt für die Satellitenaugen dunkler wird, aber in Wirklichkeit hat sich das Licht nur durch die Umrüstung auf LEDs ins Blaue und teilweise aus dem Messbereich heraus verschoben. Messungen der Himmelshelligkeit vom Boden aus, die auf allerdings nicht triviale Weise vom künstlichen Licht verursacht wird, haben damit weiter großen Wert. Und sie werden immer besser möglich. Die v.a. unter Amateurastronomen verbreiteten preiswerten und relativ präzisen Sky Quality Meter, die sehr grob die spektrale Empfindlichkeit des Auges nachbilden, sind schon ein wesentlicher Schritt, hat kürzlich eine andere große Studie festgestellt – aber noch besser sind digitale Spiegelreflexkameras mit Fischaugen-Objektiven. Sie erfassen den Himmel zum einen in Farbe (der Grün-Kanal allein entspricht dabei gut der Empfindlichkeit des Auges) und zum anderen räumlich aufgelöst und liefern nicht nur die Zenit-Helligkeit.Gerade der Horizontbereich ist aber oft deutlich stärker aufgehellt, was astronomisch wie auch biologisch von Bedeutung sein kann. Solche Kameras stellen den bei weitem besten Kompromiss aus Leistung und Kosten dar (bloss die Eichung ist derzeit noch mühsam): An reichlich Daten als Grundlage für Lösungen des Problems der Lichtverschmutzung fehlt es also bald nicht mehr.
LINKS:
Paper zu den Satelliten-Daten: http://advances.sciencemag.org/content/3/11/e1701528
IDA Press Release: http://www.darksky.org/five-years-of-satellite-images-show-global-light-pollution-increasing-at-a-rate-of-two-percent-per-year
Paper zum selber Messen: https://arxiv.org/abs/1709.09558
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