Zweimal Weltraum und zurück!

Dieser Tage purzeln die Meilensteine der Raumfahrttechnik nur so: Am 23. November 2015 flog die Suborbitalrakete „New Shepard“ der US-Firma Blue Origin bis in 100,4 km Höhe und landete danach eben so sanft wie die Raumkapsel, die sie auf ihrer Spitze getragen hatte. In der Nacht zum 22. Dezember gelang SpaceX die sanfte Landung der ersten Stufe einer Falcon 9 direkt auf dem Startgelände am Cape Canaveral, nachdem sie – zusammen der zweiten Stufe – mehrere Satelliten auf Umlaufbahnen gebracht hatte; auch die Unterstufe hatte dabei die international gebräuchliche „von-Kármán-Linie“ von 100 km weit durchbrochen, hinter der der Weltraum beginnt. Und nun ist am 22. Januar derselbe New Shepard, der im November unterwegs war, erneut bis ins All geflogen, nun 101,7 km hoch, und wieder landeten Rakete wie Kapsel weich! Das ist die erste vollständige Demonstration eines komplett wieder verwendbaren Raumfahrtsystems auf Raketen-Basis in 60 Jahren Raumfahrtgeschichte: Allerdings ist bereits 1963 ein das amerikanische Raketenflugzeug X-15 zweimal über die von-Kármán-Linie hinaus gekommen und 2004 zweimal das SpaceShipOne. Beide Systeme waren komplett wieder verwendbar, der Space Shuttle hingegen nicht, dessen Aussentank bei jedem Start verloren ging – aber dafür flog er bis in den Erdorbit und zurück.

Entsprechend schwierig ist es, die zweifellos beeindruckenden technologischen Erfolge von Blue Origin und SpaceX – beide übrigens Privatunternehmungen Technologie-bessener US-Milliardäre – ins Gesamtbild der aktuellen Raketentechnik einzuordnen. Die nach Expertenmeinung weit anspruchsvollere Landung einer Raketenstufe nach einem echten Orbitalstart (die SpaceX vor- wie nachher schon mehrmals knapp misslang) hat immerhin selbst in der europäischen Weltraumindustrie aufhorchen lassen. Uralte Pläne aus dem Ariane-Programm, Teile eines Trägers weich wassern zu lassen, wurden bereits in den 1980-er Jahren wieder aufgegeben, jetzt wird womöglich neu kalkuliert. Auch für Space>X ist die Landeoption zunächst nur ein Zusatzexperiment: Die im Dezember weich zurück gekehrte Stufe hat man einmal am Boden gezündet, was fast reibungslos verlief, aber wann tatsächlich einmal dieselbe Stufe wiederholt operationell eingesetzt werden soll, ist noch völlig unklar. Anders das Bild bei den kommerziellen Suborbital-Tourismus-Anbietern: Hier hat sich Blue Origin – gegründet vom Amazon-Chef und lange im völlig Geheimen agierend – abrupt an die Spitze des Feldes gesetzt. Vor das unglückliche Unternehmen Virgin Galactic, das bereits sein erstes SpaceShipTwo – und einen Piloten – bei einem Unfall verlor und gerade das zweite Flugmodell fertig stellt, und vor XCOR, dessen Lynx überhaupt noch nie in der Luft war. Wann der New Shepard zum ersten Mal Passagiere tragen könnte, wird allerdings noch nicht verraten.

Daniel Fischer

LINKS:
Zweiter Flug des New Shepard: https://www.blueorigin.com/news/blog/launch-land-repeat
Erste gelungene Falcon-Landung: http://spacetoday.net/Summary/6772
Erster Flug des New Shepard: https://www.blueorigin.com/news/news/blue-origin-makes-historic-rocket-landing

Daniel Fischer

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