Die Einladung war verlockend, wenn auch reichlich kurzfristig, und rund ein Dutzend kamen: zum »Joint EuroPlaNet N3 and N4 Workshop on Amateur Astronomer Coordinated Observations in Support of Venus Express and SMART-1« im Institut für Weltraumforschung der Österreichen Akademie der Wissenschaften in Graz am 24. und 25. Juni. Alle Spesen übernahm der Veranstalter, vom Flugticket bis zu Hotel und Catering, und für den Transfer zum Tagungsort – quasi das Herz der österreichischen Weltraumforschung – sorgte der Gastgeber gleich höchstpersönlich: Maxim Khodachenko, der den Workshop zusammen mit einem Kollegen vom selben Institut und dem in deutschen Amateurkreisen bestens bekannten Detlef Koschny vom ESTEC einberufen hatte. Koschny hatte gleich noch einen Kollegen vom selben ESA-Zentrum in den Niederlanden mitgebracht, der in einer Person bereits das verkörpert, was auch die Zielsetzung der ungewöhnlichen Veranstaltung war: Amateurastronomen in eine Rolle bei europäischen Raumfahrt zu führen.
Jener Jason Hatton ist nämlich nicht nur selbst Weltraumforscher (auf dem Sektor Mikrogravitation allerdings), sondern auch ein exzellenter Venus-Beobachter, dem es regelmässig gelingt, mit kleiner Optik Details in den Venuswolken sichtbar zu machen. Und genau das ist auch eine der beiden Aufgabenstellungen, bei denen die ESA Amateure in aller Welt – und natürlich besonders Europa – zur Mitarbeit einläd: Es geht um Parallelbeobachtungen mit dem Venus Express. Und um Beobachtungen im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Impakt des Orbiters SMART-1 auf der Mondoberfläche: Die Nähe dieses Termins – die Nacht 2./3. September – war auch ein Grund für die rasante Terminierung des Workshops, dessen Kunde sicher viele potenzielle Interessenten nicht mehr rechtzeitig erreichte. Nichtsdestotrotz waren seitens der europäischen Amateure schliesslich eine Menge Österreicher, zwei Deutsche (die Spezialistin für hochauflösende Planetenbildern mit Kleinteleskopen Silvia Kowollik und der Autor) und je ein Italiener (Lorenzo Barbieri) und ein Brite (Hatton) vertreten.
Vom Gastgeber hatten bis dahin die wenigsten gehört: EuroPlaNet ist das European Planetology Network, eine von der EU zunächst für vier Jahre (mit 2 Mio. Euro) finanzierte Organisation, die eine bessere Infrastruktur für die Forschung mit Europas Raumsonden schaffen soll. Im Gegensatz zu den USA, wo die NASA nicht nur in die Raumsonden und ihre Instrumente sondern auch noch kräftig in die Auswertung der Daten und die Verbreitung der Ergebnisse investiert, bezahlen in Europa nur die ESA die Sonden selbst und nationale Organisationen die Instrumente – die Nutzung der Daten jedoch ist problematisch. EuroPlaNet bemüht sich in mehreren Networking Activities, der europäischen Planetenforschung zu einem »Mehrwert« zu verhelfen, und dazu gehören mit N3 die Koordination von Beobachtungen im Weltraum und von der Erde aus und mit N4 die Aufklärung der (v.a. jungen) Öffentlichkeit über die Freuden der Planetenkunde. Das spielte beim Grazer Workshop nur am Rande mit, entscheidend war hier die Aktivierung der Amateurszene Europas, die sich ihrerseits den gastgebenden Planetenforschern vorstellte. Und umgekehrt den letzten Stand von den Missionen erfuhr, mit teilweise unveröffentlichten Bildern.
Der Impakt von SMART-1 als solcher wird aller Voraussicht nach in Europa gar nicht zu sehen sein: Zwar stehen die exakten Konsequenzen der letzten großen Bahnkorrektur des Orbiters noch nicht offiziell fest, aber der Crash wird vermutlich in die frühen Morgenstunden MESZ des 3. September fallen, wenn der zunehmende Mond längst untergegangen ist. Wie Koschny ausführte, dürfte der Blitz des Einschlags selbst nur mit den weltgrössten Teleskopen und auch nur im Infraroten zu sehen sein (große; Kampagnen v.a. bei der ESO in Chile sind schon in Vorbereitung), während kleine Teleskope allenfalls eine Chance haben, ein Aufsteigen der Ejektawolke ins Sonnenlicht zu sehen: Der Impaktpunkt liegt zwar auf der dunklen Seite aber nahe am Terminator. Mindestens ein (italienisches) Amateur-Remote-Observatorium in Chile wird versuchen, das kleine Wölkchen zu sichten. Rund um die Welt, also auch in Europa, kann man hingegen versuchen, Farbveränderungen rund um die Impaktstelle durch die wieder zu Boden gesunkenen Ejekta zu erkennen: Mehr als ein Pixel dürfte allerdings selbst bei hoher Vergrösserung kaum betroffen sein …
Während also der Amateur-Einsatz in Sachen SMART-1 – weitere Details gibt es in den kommenden Wochen! – eine Herausforderung mit höchst ungewissem Ausgang und auch eine Datenbank für die Sammlung von Beobachtungen aller Art erst noch im Aufbau ist, geht es bei den gewünschten Parallelbeobachtungen mit dem Venus Express viel systematischer zu: Wir wissen, dass Teleskope auf der Erde bei den richtigen Wellenlängen eine Menge auf der Venus sehen können. Nur wenige Amateure auf der ganzen Welt betreiben solcherlei Beobachtungen (die die Anschaffung spezieller Filter erfordern) systematisch, dafür aber mit erstaunlichem Erfolg. Zum Beispiel sind die UV-Aufnahmen der Venuswolken so detailreich, dass ohne weiteres die korrekte Rotationsperiode der oberen Atmosphäre von 4,0 Tagen abgeleitet werden kann (McKim et al., Journal of the B.A.A., im Druck)! Derzeit steht die Venus ungünstig am Morgenhimmel, aber es werden während der Mission des Venus Express auch perfekte Abendsichtbarkeiten kommen. Und bis dahin wird es hoffentlich auch häufiger neue Bilder des Orbiters (wie oben gezeigt) für die Öffentlichkeit oder wenigstens Teilnehmer des Beobachter-Netzwerks geben, die wiederum die Amateurszene zu noch mehr Anstrengungen animieren mögen.
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