Eine bislang unbekannte Variante der hierarchischen Galaxienbildung im Universum haben gleichzeitig zwei Arbeitsgruppen nachweisen können: Die dank starker Sternbildung auffällige Zwerggalaxie NGC 4449 ist gerade dabei, eine noch kleinere und wesentlich unscheinbarere Zwerggalaxie zu absorbieren. Dass da ein diffuses Wölkchen in der Nähe von NGC 4449 sitzt, war schon seit 2007 bekannt, aber erst spezielle Beobachtungen haben die Zusammenhänge aufgeklärt. Erstaunlicherweise rekrutierten beide Forscherteams jeweils Amateurastronomen, um besondere tiefe Aufnahmen der Umgebung von NGC 4449 zu machen: Der University of California in Los Angeles half ein 71cm-Spiegel der kalifornischen Amateursternwarte Polaris, dem MPI für Astronomie in Heidelberg der 50cm-Spiegel des Blackbird Observatory, das 2010 von New Mexico ebenfalls nach Kalifornien verlegt worden war. Lang belichtete Galaxienaufnahmen mit größerem Gesichtsfeld unter dunklem Himmel sind ideal, um extrem lichtschwache »Sternströme« in der Umgebung der hellen Sternsysteme nachzuweisen, und so gelang es beiden Arbeitsgruppen nun, die Rolle der vermeintlichen Wolke bei NGC 4449 (die überdies mit dem 8,2m-Subaru-Teleskop auf Hawaii in ihre Einzelsterne aufgelöst werden konnte) aufzuzeigen: Sie ist durch einen Ausläufer mit der größeren Galaxie verbunden, wird also bereits von ihr »angegriffen«.
Das Verhältnis der Helligkeiten und damit auch der Sternmassen zwischen NGC 4449 und dem Begleiter beträgt ungefähr 50:1, das indirekt bestimmte Massenverhältnis aber nur 10:1 bis 5:1, d.h. der unscheinbare Begleiter ist reich an Dunkler Materie und beeinflusst die auffälligere Galaxie erheblich. Wenn er einmal mit ihr verschmolzen sein wird, sollte sich die Masse ihres Halos glatt verdoppelt haben. Man spricht hierbei von einem »stealth merger« (dt. etwa »heimlicher Verschmelzer«), weil zunächst kaum etwas zu sehen ist – aber am Ende könnte z.B. die Sternbildungsrate der größeren Galaxie deutlich angeregt worden sein. Das schrittweise Wachstum von Galaxien bis in die Gegenwart durch die Aufnahme von immer neuen kleinen »Halos« aus Dunkler Materie ist eine wesentliche Vorhersage des Standardmodells der modernen Kosmologie (Lambda-CDM-Modell): Nur wenn sich in den Halos auch Sterne befinden, sind diese überhaupt zu sehen. Die Beobachtungen an NGC 4449 – von der Absoluthelligkeit her ein Verwandter der Großen Magellanschen Wolke aber mit viel stärkerer Sternbildungsrate – sind nun ein weiterer Mosaikstein zur Verifizierung dieses Szenarios. Wie häufig solch eine Konstellation im nahen Universum vorkommt, ist schwer abzuschätzen: Der Nachweis in diesen Fall war jedenfalls ziemlich mühsam, so könnte noch manches ähnliche System auf seine Entdeckung warten.
Daniel Fischer
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