Was wir wirklich über den Aufenthaltsort von Asteroid (99942) Apophis am 13. April 2036 wissen: Die beste Bahn nach aller vorliegenden Astrometrie platziert ihn auf den roten Punkt (»nominal«), 1/3 AE von der Erde entfernt. Letztere befindet sich jedoch noch der Zone der möglichen Orte des Asteroiden, weshalb ein Impakt mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:45000 möglich bleibt. Neue Positionsdaten der Jahre 2011–13 sollten die Zone aber weiter schrumpfen lassen, mit einer kompletten Entwarnung. [NASA, NEO Program].
Ein großer Asteroid auf Erdkurs – und sein Impakt im Jahre 2036 ist plötzlich 100 Mal wahrscheinlicher. Die Quelle der Enthüllung: ein 13-jähriger Schüler, der der NASA einen krassen Rechenfehler nachwies, den diese sogleich eingestanden hat. Die Folge: ein mediales Gewitter rund um den Globus. Nun ist der Weltuntergang zwar leider näher gerückt, so häufig der Tenor, aber dafür hat’ s ein schlauer Schüler mal so richtig der großen Behörde gezeigt. Das Problem dabei war nur: Erheblich verrechnet hatte sich der Schüler, der aber mit seinem Werk »Der Killerasteroid Apophis« gleichwohl mehrere regionale Preise bei Jugend Forscht abräumte und dadurch zu einem kleinen Medienstar geworden war. Irrtümlich war er zu dem Schluss gekommen, dass Apophis bei seinem früheren sehr engen Erdvorbeiflug 2029 mit einem oder mehreren geostationären Satelliten zusammenstoßen müsste, was zu einem Anstieg der Impaktwahrscheinlichkeit von 1:45000 im Jahre 2036 nach der derzeitigen NASA-Rechnung (siehe Grafik) auf bedenkliche 1:450 führen würde. Nur kommt Apophis 2029 überhaupt nicht in die Nähe des geostationären Satellitengürtels, wie schon lange auf einschlägigen Webseiten der NASA nachzulesen ist und wie am 15. April noch einmal der Chef des NASA-Programms für erdnahe Objekte, Don Yeomans, gegenüber dem interstellarum Newsletter klarstellte: »Der Asteroid wird den Erdäquator in einem Abstand von 51000 km passieren – weit außerhalb der geosynchronen Distanz« von 42240km vom Erdmittelpunkt.

»Da die Unsicherheit von Apophis’ Position während der größten Annäherung an die Erde 1500km beträgt,« so Yeomans, »kann sich Apophis keinem Erdsatelliten nähern.« Und selbst wenn der Kleinplanet mitten durch den geostationären Gürtel sausen würde: Eine Kollision mit auch nur einem der Handvoll Nachrichtensatelliten wäre immer noch beliebig unwahrscheinlich. Ein solcher Zusammenstoß würde die Bahn Apophis’ auch nicht automatisch in einer Weise verändern, dass die geringe Impaktwahrscheinlichkeit 2036 anstiege, geschweige denn gravierend. Dass die vermeintliche Sensation von ein paar lokalen Zeitungen aufgegriffen wurde, mag man noch nachvollziehen können: Schließlich ist die »Human Interest«-Komponente beachtlich, die dem selbstbewussten Schüler schließlich gar einen TV-Auftritt einbrachte. Aber dann griff in der Nacht zum 16. April die internationale Nachrichtenagentur Agence France Presse einen der Zeitungsartikel auf und posaunte die »Korrektur der NASA« durch den Schüler in alle Welt – ohne die behaupteten Fakten in irgendeiner Weise zu überprüfen, etwa durch eine Nachfrage bei der angeblich blamierten NASA, deren hellste Köpfe die Sache mit den Satelliten glatt übersahen, dies nun aber eingesehen hätten. Bis nach China und Australien griffen Zeitungen zu, und selbst viele Internet-Portale für Weltraumnews fielen nun auf die AFP-Geschichte herein; nur einige wenige unternahmen eigene Recherchen. Die Lawine war aber nicht mehr aufzuhalten, und so sah sich die NASA-Zentrale am Abend des 16. deutscher Zeit schließlich genötigt, eine formelle Richtigstellung herauszugeben.

Daniel Fischer

Die ganze Geschichte mit Interviews und Links: cosmos4u.blogspot.com/2008/04/apophis-risk-not-increased-science-fair.html
Das NASA-Statement: www.nasa.gov/home/hqnews/2008/apr/HQ_08103_student_asteroid_calculations.html
Die echten Informationen über die Apophis-Bahn: neo.jpl.nasa.gov/apophis
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