Das Innenleben der Sonne bleibt dem direkten Blick in allen Wellenlängen verschlossen: Der Stern ist »optisch dicht«, und an der Photosphäre endet abrupt der Blick. Trotzdem sind erstaunlich detaillierte Aussagen über den inneren Aufbau der Sonne und Bewegungen ihrer Materie weit innerhalb der Photosphäre möglich: Sie lassen sich durch »Inversion« von langen Messreihen der Schwingungen der ganzen Sonne gewinnen, wenn diese nur gut genug sind. Das beste Messinstrument für derartige Helioseismologie – Sonnenbebenforschung sozusagen – ist derzeit der Helioseismic and Magnetic Imager (HMI) auf dem Solar Dynamics Observatory (SDO) der NASA, dessen erste zwei kontinuierlichen Messjahre nun ausgewertet und insbesondere von entscheidenden Störeffekten bereinigt worden sind. Die Laufzeit von Schallwellen durch das Sonneninnere, die auf der Photosphäre ein schwaches aber charakteristisches vertikales Muster produziert, das sich wiederum über den Dopplereffekt verrät, liefert dabei die entscheidenden Informationen – und die haben Überraschungen parat.
Schon lange war bekannt, dass das Gas der Sonne in der Nähe der Photosphäre langsam aber stetig aus der Nähe des Äquators polwärts strömt, doch der Rückweg im Sonneninneren blieb unklar. Nun zeigen die HMI-Daten, dass diese meridionale Strömung zu den Polen mit 15m/s erfolgt und bis in 0,09 Sonnenradien oder 63000km Tiefe reicht, während die Strömung zurück unerwartet flach bereits zwischen 0,09 und 0,18 Radien Tiefe – und mit 10m/s – erfolgt. Aber in mehr als 0,18 Radien Tiefe strömt es wieder polwärts, d.h. es gibt mindestens eine weitere Zirkulationszelle unter der bekannten und vielleicht sogar mehr. Dies ist nicht nur eine kosmetische Korrektur des Bildes vom Sonneninneren sondern hat weitreichende Folgen: Insbesondere die Modelle ihres Dynamos, der das Magnetfeld der Sonne auf- und zyklisch umbaut, stehen vor einer Revision, denn der magnetische Fluss wird durch die meridionalen Strömungen transportiert. Die Sonnentheoretiker wundern sich nun nicht mehr, warum sie sich mit der Vorhersage schon des nächsten Maximums der Sonnenaktivität so schwer tun.
Daniel Fischer
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