Der letzte Venus-Durchgang vor der Sonne bis zum Jahr 2117 ist nun Geschichte, aber praktisch jeder auf diesem Planeten hat daran teilhaben können: mit eigenen – geschützten – Augen, wo es kosmische Geometrie und Wetter zuließen, durch zahllose Webcasts wie den von interstellarum aus Norwegen, die das Ereignis in Echtzeit auf den Monitor zauberten, oder durch soziale Netzwerke, in denen sich qualitativ beeindruckendes Bildmaterial rasant verbreitete, während der sechsstündige Venusdurchgang noch andauerte. Der eigene Blick auf den ungewöhnlich runden und dunklen »Sonnenfleck« – welchen meist bereits eine simple Sonnenfinsternis-Brille offenbarte – blieb einem Großteil der Beobachter in Deutschland leider durch ausnehmend schlechtes Wetter verwehrt, aber manchen gelangen wenigstens kurze Blicke auf die Miniaturausgabe einer Sonnenfinsternis. Vor allem im Nordosten waren die Sichtbedingungen richtig gut: Einige der spektakulärsten Bild- und Filmsequenzen entstanden auf den Inseln Fehmarn und Rügen, wo die bereits eine Weile von der Venus verzierte Sonne bei bester Transparenz aus der Ostsee stieg, von atmosphärischen Fatamorgana-Effekten dramatisch verzerrt und vervielfältigt, so dass die Sonne zeitweise von bis zu drei Venus-Scheibchen bedeckt schien.
Der lange Marsch der Venus über die reichlich mit echten Flecken verzierte Scheibe war dann vor allem für jene spektakulär, die ihre stetige Bewegung über die Granulation im Sichtbaren oder die Chromosphären-Textur im Hα-Licht verfolgen konnten. Richtig spannend wurde es beim Eintritt (der Mitteleuropa leider entging aber insbesondere von mehreren Sonnen-Großteleskopen in den USA festgehalten wurde) und Austritt, der auch in Europa gut zu sehen war: Jeweils etliche Minuten lang zeichnete ein dünnes Band den dunklen Rand des nur teilweise vor der Scheibe stehenden Planeten nach. Dies war die auch von Fachastronomen mit größtem Interesse erwartete Aureole alias Lomonossov-Ring: Licht von der Sonnenphotosphäre wird von der oberen Venusatmosphäre wie von einer Linse Richtung Erde gebrochen. Und die Aureole – deren Abbildung einigen Amateur- und Profiastronomen am Endboden gelang, viel schärfer noch freilich optischen Teleskopen auf den Sonnensatelliten Hinode und SDO – zeigte sich 2012 außerordentlich ungleichmäßig und variabel: Hier manifestieren sich Eigenschaften der Venusatmosphäre, die selbst für Raumsonden nicht zu messen sind. Das Vermächtnis des Venustransits von 2012 besteht nicht nur aus unzähligen spektakulären Fotos, Videos und Erinnerungen sondern auch wertvollem wissenschaftlichem Datenmaterial.
Daniel Fischer
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