Schock für Photometriker: Profis ersetzen UBVRI-System durch sündhaft teure Filter

Seit Menschengedenken werden Sternhelligkeiten durch verschiedene breitbandige Farbfilter mit sanftem Flankenverlauf gemessen, die leicht herzustellen und damit so preiswert sind, dass auch Amateurastronomen mitmachen können: Das klassische UBV-System nach Johnson z.B. ist so angelegt, dass für einen Stern des Spektraltyps A0 die Helligkeit in allen drei Filtern (Ultraviolett, Blau und Visuell, also gelb-grün) identisch ist. Weitere Farben konnten konnten natürlich hinzutreten (UBVRI), aber die fundamentale Messung blieb immer auch mit einfacher Technik möglich. Doch damit könnte es bald vorbei sein, wie Kidger (The Astronomer 43 [2006 June] 47-8) von einer Sitzung von Funktionären für Standardisierung und Kalibration berichtet, die im Mai im belgischen Blankenberge stattfand. Als nämlich die Filter für die gigantische Sloan Digital Sky Survey ausgesucht wurden, hatte man festgestellt, dass das klassische Johnson-System nicht wirklich ideal für Sternphotometrie war. Man entschied sich stattdessen für Farbfilter mit extrem steilen Flanken, d.h. einem kastenförmigen Spektralprofil, das »ugriz«-System.

Der Durchlassbereich – z.B. 486±153 nm für den g‘-Filter – ist so gewählt, dass sich viele physikalische Eigenschaften von Sternen wie die Metallizität oder Temperatur viel direkter ablesen lassen als beim UBVRI-System. Und so hat sich ugriz unter professionellen Astronomen rasant durchgesetzt und ist auf dem besten Weg zum neuen Standard. Wogegen ja auch nichts einzuwenden wäre, wenn die ugriz-Filter nicht dramatisch teurer als die Johnson-Filter wären: Sie kosten 7000 bis 8000 US-Dollar pro Stück! Amateurphotometriker und selbst viele kleine Profisternwarten werden sich kaum einen Filtersatz für 40 000 Dollar leisten können oder wollen und drohen nun, von der »großen« Astronomie abgehängt zu werden. Der Grund für den enormen Preis ist die Herstellung dieser Filter, die – wie auch aufwändige engbandige Sonnenfilter – mit Interferenz arbeiten. Schon ist nun der Ruf nach einem Kompromiss laut geworden: Es müssen neue Filter her, aber sie müssen ähnlich einfach herzustellen sein wie die guten alten Johnson-Filter.

Noch ein weiteres photometrisches Problem wurde übrigens auf derselben Tagung deutlich: Es gibt keine Sternkataloge mit präziser Photometrie heller Sterne, wobei »hell« für »heller als 16m« steht, und es wird sie auch in Zukunft seitens der professionellen Astronomie nicht geben. Gerade im Bereich um 15m oder heller, wo Amateure mit modernen Kameras besonders effizient arbeiten können, sieht es düster aus. Und alle für die nächste Zeit angekündigten hochpräzisen photometrischen Kataloge (mit z.T. Fehlern von nur noch 0,01m) setzen erst bei 16m ein. Ordentliche Astrometrie heller Sterne zu finden ist kein Problem, aber entweder sind die verwendeten Farbbereiche seltsam, wie beim beliebten Tycho-Katalog, oder die Sternhelligkeiten sind voller Fehler (wie bei Tycho jenseits von 8m der Fall). Für die ganz hellen Sterne (10m und heller) haben u.a. der neue AAVSO-Direktor Arne Henden vor einer Weile eine eigene »Amateur Sky Survey« begonnen, aber im Intervall 10 bis 16m wird es noch viele Jahre keine zuverlässigen Sternhelligkeiten geben.

Daniel Fischer

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