Meldungen aus der Forschung

„Schnelle Radio-Blitze“ kommen aus ferner Zwerggalaxie

Eines der größten aktuellen Rätsel der Astronomie ist ein bisschen kleiner geworden: Eine der 18 bekannten Quellen von „Fast Radio Bursts“ (FRBs) am Himmel konnte nun eindeutig in einer Milliarden Lichtjahre weit entfernten Zwerggalaxie verortet werden. Doch welche Art von Himmelskörpern dort gelegentlich nur Millisekunden lange aber enorm helle Radioblitze aussendet, ist damit immer noch nicht viel klarer geworden.

Und es ist noch nicht einmal sicher, dass der nun in der fernen Galaxie verortete Blitzer überhaupt typisch für die ganze Klasse der FRBs ist, von denen hochgerechnet 5000 bis 10000 pro Tag irgendwo am Himmel aufleuchten: Von den anderen 17 beobachteten FRBs haben Radioteleskope jeweils genau einen Blitz empfangen, nur FRB 121102 wiederholt dies in unregelmäßigen Abständen. Genau diese Eigenschaft aber war entscheidend für eine genaue Positionsbestimmung: Mehrere Radiointerferometer, bei denen über eine Fläche verteilte Radioschüsseln wellengenau zusammen geschaltet werden, peilten die Quelle das vergangene Jahr hindurch viele Stunden lang an. Die Mühe lohnte sich: Der Very Large Array (VLA) in New Mexico sichtete 9 neue FRBs aus dieser Richtung und ein gleich mehrere Kontinente überspannendes Netzwerk aus Radioteleskopen (VLBI) 4 weitere FRBs. Bereits die Beobachtungen des VLA reichten aus, um den Ursprung der Blitze auf 1/10 Bogensekunde genau einzugrenzen – und genau an dieser Stelle sitzt eine sehr unscheinbare Galaxie 25. Größe. Diese hat dann das nördliche Gemini-8-Meter-Teleskop auf Hawaii genauer inspiziert: Es handelt sich um eine Zwergalaxie mit nur rund 50 Mio. Sonnenmassen aber ordentlicher anhaltender Sternbildung. Und ihre Rotverschiebung beträgt stolze 0,19: Das bedeutet, dass Licht von ihr 2,4 Milliarden Jahre unterwegs ist – und dass Objekte dort so schwach erscheinen, als ob sie 3,1 Milliarden Lichtjahre entfernt wären (bei derartigen Distanzen fallen in der Kosmologie diverse Entfernungs-Definitionen auseinander).

Die kleine Galaxie erscheint am Himmel etwa 0,7 Bogensekunden groß, was rund 13000 Lichtjahren entspricht, und die Quelle der FRBs sitzt 0,2 Bogensekunden von ihrem Zentrum entfernt, wie die VLBI-Messungen zeigen. In nur 0,01 Bogensekunden oder ca. 130 Lichtjahren Abstand vom Blitzer befindet sich auch eine permanente Radioquelle: Sie hat daher vermutlich etwas mit der Entstehung der Radioblitze zu tun, aber alles Weitere ist völlig unklar. Durch die Platzierung der FRB-Quelle in enorme – man sagt auch: kosmologische – Distanz scheiden viele vorgeschlagene Mechanismen aus, einen Ort in unserer Milchstraße erfordert hätten. Was noch funktionieren könnte, wären ungewöhnliche Vorgänge auf oder an einem Neutronenstern, dem Überrest der Explosion eines massereichen Sterns (wie sie die Galaxie heute tatsächlich produzieren sollte), wobei dann die permanente Radioquelle mysteriös bleibt. Oder es handelt sich bei dieser um einen Aktiven Galaktischen Kern, bei dem Prozesse rund um ein mutmaßliches massereiches Schwarzes Loch für die gelegentlichen Radioblitze sorgen. Dass die permanente Quelle, die höchstens zwei Lichtjahre Durchmesser hat, um ein Drittel des Galaxiendurchmessers zum Rand hin versetzt ist, spricht nicht unbedingt dagegen, allerdings liefern die Gemini-Beobachtungen auch keinerlei Hinweis auf die Anwesenheit eines Aktiven Kerns in der Zwerggalaxie. Bleibt als Fazit: Nur durch präzise Positionsmessungen und die Identifikation von Gegenstücken in anderen Wellenlängen kommen wir dem FRB-Rätsel langsam näher – und genau das ist bei nur einmal und dann nie wieder aufblitzenden Quellen ein erhebliches Problem …

Daniel Fischer

LINKS:
VLBI-Paper: http://iopscience.iop.org/article/10.3847/2041-8213/834/2/L8
VLA-Paper: https://arxiv.org/abs/1701.01098
Gemini-Paper: http://iopscience.iop.org/article/10.3847/2041-8213/834/2/L7
Detaillierte Pressekonferenz dazu: https://files.aas.org/aas229/aas_229_press_2017-01-04_closing_in_on_a_fast_radio_burst_frb.mp4
Pressemitteilung des MPI für Radioastronomie: http://www.mpifr-bonn.mpg.de/pressemeldungen/2017/1

Daniel Fischer

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