Rosetta am Mars, New Horizons am Jupiter: viel Bonus bei den Swingbys

Raumsonde Rosetta

Planmässig sind die Raumsonden Rosetta der ESA und New Horizons der NASA am 25. bzw. 28. Februar an den Planeten Mars und Jupiter vorbeigeflogen, um ihre Bahnen zu ändern: Während es bei Rosetta lediglich um eine »Umleitung« Richtung Erde ging (und sogar etwas Bahnenergie vernichtet wurde), brauchte New Horizons die Schwerkraft des Jupiter, um kräftig Fahrt aufzunehmen, um 14 000 km/h auf 84 000 km/h. Diese »gravity assists« waren der eigentliche Zweck der Besuche bei den jeweils einzigen anderen Planeten als der Erde, denen die beiden Sonden auf dem Weg zu ihren eigentlichen Zielen nahekommen würden, dem Kometen Churyumov-Gerasimenko (Rosettas Ankunft: Mitte 2014, mit Absetzen des Landers Philae etwa im November) bzw. dem Zwergplaneten Pluto (New Horizons‘ Vorbeiflug: Mitte 2015). Und wenn man schon mal da ist, kann man ja auch geeignete Instrumente an Bord einschalten, um sie unter Realbedingungen zu testen und auch noch ein wenig (Rosetta) oder jede Menge (New Horizons) echte Wissenschaft damit zu betreiben.

Viele Monate der Vorbereitung wurden für beide Sonden investiert und ausgeklügelte Beobachtungsprogramme rund um die grössten Annäherungen (250 km an den Mars bzw. 2,3 Mio. km an den Jupiter) programmiert: Alles scheint funktioniert zu haben, und das Übertragen der vielen aufgezeichneten Daten zur Erde hat erst begonnen. Während der Jupiter-Swingby ein zentraler Bestandteil der Mission New Horizons‘ war (ohne den Extraschwung würde die Reise zum Pluto noch 3 Jahre länger dauern), traf der enge Vorbeiflug am Mars Rosetta gewissermassen unvorbereitet: 25 Minuten würde die Sonde in den Schatten des Planeten tauchen, wofür sie gar nicht ausgelegt war. Denn im ursprünglichen Flugplan kamen solche »eclipses« überhaupt nicht vor, doch nach der Startabsage 2003 wegen Problemen mit der Ariane 5 hatte – für die längst fertige Sonde – eine neue Route gewählt werden müssen. Sie beinhaltet drei Vorbeiflüge an der Erde, um 2005, im November 2007 und 2009 Schwung zu holen, und um den Weg vom 2. zum 3. Erd-Swingby zu optimieren, sollte der Mars die Bahn abknicken.

Während der eclipse mussten die Systeme an Bord Rosettas so weit wie möglich heruntergefahren werden, drei Stunden lang lagen auch alle

Mars Rosetta

Instrumente lahm, und für Minimalstrom sorgten Batterien – die waren eigentlich nur für die ersten Stunden der Mission nach dem Start an Bord und seither auch nicht mehr benötigt (aber im Vorfeld der eclipse eingehend getestet) worden. Vor allem die relativ lange eclipse, die zudem noch während einer 15-minütigen Funkstille begann, sorgte für eine gewisse Nervosität im Kontrollzentrum in Darmstadt, nicht jedoch die knappe Annäherung an den Mars. Denn die Flugbahn im Raum hatte man bestens im Griff, dank der heute in der interplanetaren Raumfahrt zunehmend verwendeten Delta-DOR-Methode: Zwei weit voneinander entfernte Antennen auf der Erde messen die Distanz zur Sonde und peilen dabei auch dieselbe ferne himmlische Radioquelle an, um die Messungen interferometrisch kombinieren zu können.

Sehr pünktlich traten denn auch am Morgen des 25. Februar alle Ereignisse rund um die Marspassage ein: Abriss des Funks, als Rosetta hinter dem Mars verschwand, Wiederauftauchen des Funkträgers, während Rosetta noch im Marsschatten war und offensichtlich keinen Schaden genommen hatte, Austritt aus dem Schatten, Wiedereinschalten der Telemetrie. Bereits in den letzten Stunden zuvor waren eine Handvoll Bilder der Kamera OSIRIS vom Anflug eingetroffen (oben eine Echtfarbaufnahme), und im Verlauf des 25. wurden es mehr. Besonderes Interesse galt hohen Wolkenschichten in der Atmosphäre, die deutlich gegen den dunklen Weltraum erscheinen (unten) sowie der Positionsbestimmung von Phobos vor dem Planeten: Seine langfristig instabile Bahn kann immer noch verbessert werden.

Rosetta

Auch ein Bild einer Kamera auf dem – dank eigener Stromversorgung durchgehend eingeschalteten – Lander Philae, das nur 4 Minuten vor der grössten Annäherung entstand, wurde bereits am Nachmittag des 25. verfügbar (ganz oben), abends dann Daten des Magnetometers auf Philae. Bis kurz vor dem Aufsetzen des diesen August startenden NASA-Landers Phoenix im Frühjahr 2008 wird kein Raumschiff mehr dem Mars so nahe kommen wie Rosetta! Vor der Kometensonde liegen derweil schon wieder neue Welten: Ausser noch zweimal an der Erde wird es 2008 und 2010 auch an zwei Asteroiden vorbei gehen, die ebenfalls intensiv untersucht werden sollen (und dieses Frühjahr wird Rosetta auch UV-Blicke auf den Jupiter riskieren, zur Unterstützung von New Horizons). Schon jetzt ist klar, so Rosettas Missionsmanager Gerhard Schwehm zu interstellarum, dass alle Hardware der Instrumente einwandfrei funktioniert. Aber an mancher Software kann noch etwas optimiert werden. Die restlichen sieben Jahre bis zum eigentlichen Ziel dürften wie im Fluge vergehen, auch wenn Rosetta von 2011 bis 2014 in Sonnenferne in einen langen »Winterschlaf« geschickt wird. Picture credits: CIVA / Philae / ESA Rosetta (oben), MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA (Mitte & unten)

New Horizons

Eine lehrreiche Erfahrung war auch der Jupiter-Swingby von New Horizons: Es hat sich gezeigt, dass die Vorbereitung eines komplexen Wissenschaftsprogramms für einen Planetenvorbeiflug ganz schön lange dauert! Und so wird man sich für die Planung der Plutopassage mehr Zeit nehmen und sogar schon bald damit beginnen, solange die Jupiter-Erfahrung noch frisch ist. Mehr als 100 Beobachtungssequenzen mit etwa 700 einzelnen Beobachtungen (die z.T. wiederum aus mehreren Aufnahmen bestehen) sollen vom Beginn der Jupiter-Kampagne am 5. Januar bis zu ihrem Ende im Juni absolviert sein. Schon seit Wochen gab es Bilder der Telekamera LORRI vom Anflug auf den Jupiter, aus der prompt eine animierte Gesamtkarte erstellt wurde: Der Planet sieht derzeit recht ungewöhnlich aus, vielleicht der Vorbote großer; Veränderungen (siehe is 51 Seite 23, im Druck). Mitte Januar trocknete der Datenfluss fast ganz aus, weil nun alles an Bord zwischengespeichert wurde: Genau so wird es auch am Pluto sein (wo kurioserweise weniger Daten zusammenkommen dürften als jetzt am Jupiter).

Jupiter ABB

Ein paar ausgewählte Bilder aus Jupiternähe wurden aber doch rasch geschickt, etwa von einem dramatischen Vulkanausbruch auf Io oder dem Red Spot Junior. (Bei der Beobachtungsplanung haben übrigens Amateurastronomen geholfen, die zur Überwachung Jupiters aufgerufen sind; auch Hubble und Chandra sorgten für Parallelbeobachtungen.) Ab dem 4. März, wenn die grösste Hektik vorüber ist, wird der Datenstrom wieder zunehmen, aber es kann Sommer werden, bis die Gesamtausbeute vorliegt. Das wissenschaftliche Highlight des Jupiter-Besuchs liegt ohnehin noch vor New Horizons: der wochenlange Flug entlang des ausgedehnten Magnetschweifs Jupiters, der sich zufällig so ergeben hat. Wenn alle Jupiter-Daten übertragen sind, wird New Horizons schon im Juli in Winterschlaf geschickt: Nur einmal pro Jahr wird die Sonde dann für zwei Monate »aufgeweckt«, um Systeme und Instrumente zu überprüfen. Eine kleine Chance gibt es allerdings, dass bis zum Kreuzen der Neptunbahn ein Trojaner-Asteroid des Planeten just an einer Stelle im Raum gefunden wird, die Rosetta ohne großen Treibstoffeinsatz erreichen könnte: Nur dann würde es vor der Plutokampagne noch einmal Bonus-Wissenschaft geben. Jupiter, der zuletzt Ende 2000 von Cassini besucht worden war, muss sich auch gedulden: Erst 2016 kommt wieder eine Sonde an, die 2011 gestartete Juno der NASA.

Daniel Fischer

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Daniel Fischer

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